Spätestens seit Albert Einstein wissen wir: Physik ist relativ – und natürlich sind es ihre Gesetze auch. Und wenn Mercedes-Ableger AMG jetzt den EQE 53 als erstes elektrisches Performance-SUV an den Start bringt, werden wir daran noch einmal eindrucksvoll erinnert. Denn auf der einen Seite ist der aufgebockte Stromer mit seinen 2,7 Tonnen für einen Sportwagen relativ schwer. Doch auf der anderen Seite kommt er mit seinen zwei E-Maschinen auf bestenfalls 687 PS und 1000 Nm und ist damit relativ stark – und das Ergebnis könnte eindrucksvoller kaum sein: Denn wie ein Sumo-Ringer auf Speed beschleunigt der Koloss unter Strom in 3,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und nimmt seinem konventionellen Cousin GLE 63 damit mal eben die Unverschämtheit von drei Zehntelsekunden ab. Nur bei Vollgas fährt der Verbrenner weiter voraus: Wo der GLE im besten Falle Tempo 280 rennt, ist für den EQE bei 240 Sachen Schluss – und schon dafür braucht es das Dynamic Plus Paket.
Aber so schwer einem dieser elektrische Faustschlag auch in den Magen fährt, erst recht weil er ohne jede Vorwarnung und so ganz ohne Spektakel wie aus dem Hinterhalt kommt, ist es nicht die Längsbeschleunigung, die diesen Wagen ausmacht. Sondern die eigentliche Leistung der Affalterbacher Entwickler spürt man in den Kurven - mit adaptivem Allradantrieb, neuem Fahrwerk, schärfer Lenkung, serienmäßiger Luftfederung und erstmals auch Wankausgleich fühlt man sich der Fahrbahn endlich etwas enger verbunden, hat den Koloss besser an der Kandare und ist beim Fahren mittendrin statt nur dabei.
Sportlicher Koloss
Mit dem EQE SUV beweist AMG, dass auch ein Schwergewicht zum Sportwagen taugt. Bei der Reichweite müssen die Kunden allerdings Abstriche machen.
Allerdings hat der Sportler dabei nur einen kurzen Atem: Weil AMG zwar an der Leistung geschraubt, von der Batterie aber die Finger gelassen hat, bleibt es bei den üblichen 90,6 kWh, die schon im Normzyklus nach 407 Kilometern aufgezehrt sind und unter verschärfter Gangart noch deutlich früher an die Ladesäule zwingen. Der EQE 500 kommt mit der gleichen Energie etwa 30 Prozent weiter. An der Buchse zapft der EQE im besten Fall mit 170 kW und zieht so binnen 15 Minuten den Strom für 170 Kilometer. Immerhin: Als erstes Modell der EQ-Familie hat das SUV – egal ob aus der Serie oder von AMG – serienmäßig eine Wärmepumpe an Bord und kann den vorderen Motor im Schlepp abkoppeln, was allein fünf Prozent Effizienz bringen soll.
Zwar fährt der 53er besser als jeder andere EQE und ist das erste elektrische Mercedes-SUV, das jenseits der Geraden überhaupt so etwas Fahrspaß und Engagement aufkommen lässt. Doch von den klassischen AMG-Tugenden aus der alten Welt muss sich die Generation E so langsam verabschieden: Der Auftritt jedenfalls ist bis auf den angedeuteten Panamericana-Grill eher verhalten und der virtuelle Sound innen wie außen so fehl am Platz, dass man ihn lieber gleich ausschaltet. Mit dem Auspuffbollern der Achtzylinder mag man die Umstehenden je nach Gusto noch amüsiert oder erzürnt haben – aber mit dem SiFi-Surren erntet man allenfalls noch Irritationen.
Immerhin tragen die schnellen Schwaben innen weiter dick auf und bitten in ein Sportstudio mit reichlich Lack und Leder: Tiefer ausgeschnittene Sitze, natürlich mit dem AMG-Wappen in der Kopfstütze, Gurte in Kontrastfarben und ein Lenkrad mit mehr Grip zeugen von den ernsthaften Absichten des eiligen Giganten und ein paar Zierteile aus Karbon und Alcantara erinnern an jene Zeit, als bei sportlichen Autos tatsächlich noch aufs Gewicht geachtet wurde. Aber das scheint mittlerweile relativ lange her zu sein.
Zwar lässt sich AMG die Kraftkur für den EQE 53 teuer bezahlen, erhebt auf das stärkste Serienmodell einen Aufschlag von 40 Prozent, verlangt für das SUV stolze 139.438 Euro. Doch auch über diesen Schock kann einem Albert Einstein hinweghelfen. Denn auch Preise sind relativ – und wenn man den Preis des EQE 53 SUV in Euro pro Kilo betrachtet, tut die Summe vielleicht schon nicht mehr ganz so sehr weh.
Aus dem Datencenter: