Chinas geheimnisvolle EV-Friedhöfe

China hat in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Boom bei Elektroautos erlebt. Von gerade einmal 600.000 zugelassenen Fahrzeugen im Jahr 2017 kletterte der Bestand auf über 6,1 Millionen im vergangenen Jahr.

Doch ein Teil dieses Wachstums scheint auf Zulassungen durch chinesische Carsharing-Unternehmen zu beruhen, die zuletzt immer mehr kaum gebrauchte Fahrzeuge unter freiem Himmel auf riesigen Flächen verrotten lassen. Dies legen zumindest Videos und Bilder verschiedener Internet-Blogger nahe. Ein chinesischer Blogger spricht von "zehntausenden aufgegebenen Autos", die teilweise noch fabrikneu seien. Das scheint aber nicht ganz zuzutreffen.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete vor wenigen Tagen über einen "EV-Friedhof vor der Stadt Hangzhou", wo mehrere hundert aufgegebene E-Autos aus chinesischer Produktion auf freiem Feld vor sich hin rosten. Es handelt sich dort fast ausschließlich um weiße Fahrzeuge immer desselben Typs. In mindestens sechs weiteren Großstädten gebe es ähnliche Parkflächen.

Zu den aufgegebenen Modellen gehören beispielsweise der Kandi K10 von Geely, der Neta V sowie der e3 von BYD. Ein Großteil der dort abgestellten Fahrzeuge gehörte dem gescheiterten chinesischen Carsharing-Dienst "Microcity."

Bloomberg vergleicht die Situation mit den riesigen Bergen ungenutzter Fahrräder von Bikesharing-Firmen aus dem Jahr 2018. Damals platzte in China eine Blase, während der Investoren enorme Summen in den Markt für Leih-Fahrräder steckten. Die nun aufgegebenen EVs stammen demnach ebenfalls aus der Frühphase der Elektrifizierung in China, die von hohen Investitionen von Carsharing-Unternehmen geprägt war.

Der frühere Automobilmanager Mark Rainford berichtete vor wenigen Tagen auf seinem Youtube-Kanal "Inside China Auto" über einen persönlichen Besuch des Autofriedhofes von Hangzhou. Er kommt zu einer differenzierten Beurteilung der Situation. "Es ist falsch anzunehmen, dass die abgestellten EVs nur deshalb zugelassen wurden, um die Zulassungszahlen von E-Autos in China hochzutreiben", sagt er.

Ein Großteil der "Friedhof-Autos" seien fünf oder mehr Jahre alt und damit technisch veraltet. "Die Autos hier stammen überwiegend von Carsharing-Unternehmen, die gescheitert sind", stellt er nach der Besichtigung fest. Der Markt dafür sei viel zu optimistisch beurteilt worden.

Zum einen seien Autos in chinesischen Großstädten häufig das langsamste verfügbare Verkehrsmittel, dabei aber deutlich teurer als der ÖPNV oder Elektroroller. Nicht zuletzt gebe es vielfach keine sinnvolle Parkplatz-Bewirtschaftung für Carsharing-Fahrzeuge. Dies habe den Markt schnell zum Einbrechen gebracht. 

Die nun abgestellten Modelle hätten veraltete Batterien und zu geringe Reichweiten für die meisten Autofahrer. Eine Lösung für die weitere Nutzung der EV-Friedhöfe gebe es noch nicht.

Rainford zeigt in seinem Video aber auch hunderte fabrikneuer EV-Modelle von Volkswagen, Audi und Toyota, die auf dem offenen Gelände abgestellt wurden. "Diese Marken sind in China nicht besonders begehrt und die Verkäufe sind niedrig", stellt er dazu nüchtern fest.

Ungewöhnlich an dieser Methode ist zumindest die Lagerung absolut neuwertiger Fahrzeuge wie dem Toyota bz4X ohne jeden Witterungsschutz

Aus dem Datencenter:

Top 10 der Elektroautoverkäufe in China - 2021 und 2022