Bis 2030 entfällt in Deutschland jede vierte Stelle

In der Autozulieferindustrie geht die Angst um. Derzeit sind dort weniger als 270.000 Mitarbeiter der insgesamt rund 780.000 Mitarbeiter in der Automobilindustrie beschäftigt. „Die rund 310.000 Beschäftigten in den Jahren 2018 und 2019 gehören der Geschichte an“, erklärt Frank Schwope, Lehrbeauftragter für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands Hannover. Er rechnet mit einem weiteren Rückgang. „Die Mitarbeiterzahl in Deutschland dürfte auch bedingt durch die Transformation zur E-Mobilität weiter fallen.“ Für das Jahr 2030 rechnet er „noch mit rund 200.000 Beschäftigen bei Zulieferern in Deutschland“.

Schwope geht davon aus, dass es Zulieferer auch in den nächsten Jahren schwerer haben werden als die Autohersteller, zumal sich bei den Herstellern der Trend zum Insourcing beschleunigen wird. „Auch wenn in Bereichen wie beispielsweise der Batterieentwicklung oder der Batteriefertigung neue Stellen geschaffen werden, können diese jedoch nicht den Wegfall anderer Stellen kompensieren.

In den vergangenen Wochen folgten die Hiobsbotschaften der Branche Schlag auf Schlag. Continental streicht weltweit 7150 Stellen in der Automotive-Sparte. Der ZF-Gesamtbetriebsrat befürchtet den Verlust von 12.000 Stellen in Deutschland bis 2030 und bei Bosch sollen wohl mindestens 3200 Stellen wegfallen, ein Großteil davon in Deutschland. Betroffen sind die Verbrenner-Antriebe, das automatisierte Fahren sowie der Bereich der Steuergeräte. Ob dies das Ende ist, darf bezweifelt werden. Die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern laufen noch. Bosch-Chef Stefan Hartung verteidigte jüngst die Salamitaktik in der Kommunikation. „Wir müssen das in kleinen Stücken machen, weil wir eine extreme Breite im Konzern haben.“

Beim Zulieferer Mahle stehen die großen Entscheidungen zu einem möglichen Jobabbau noch aus, auch hier wird gerade verhandelt. „Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter bei Mahle haben sich im August 2023 auf einen Zukunftstarifvertrag geeinigt, um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Konzernstandorte zu stärken“, so eine Sprecherin. Kern der Vereinbarung sei ein Prozess zur Entwicklung von Zukunftskonzepten für die einzelnen Standorte unter Mitwirkung der Tarif- und Betriebsparteien im Rahmen des Mahle Transformationsdialogs. „Darüber hinaus sieht die Einigung eine Beschäftigungssicherung und Qualifizierung vor. Der Zukunftstarifvertrag läuft bis zum 31. Dezember 2025.“

Für Manuel Kallweit, Chefvolkswirt beim Verband der Automobilindustrie VDA, „kommen die Ankündigungen zu den Stellenstreichungen angesichts der Transformation nicht unerwartet. Ich hätte sie mir in diesem Umbruch sogar noch ein bisschen deutlicher vorgestellt. Das zeigt: Die Unternehmen wollen Beschäftigung hierzulande halten.“ Er verweist darauf, „dass die von den Zulieferern angekündigten Stellenstreichungen sozialverträglich geregelt und den Mitarbeitern andere Positionen in den Unternehmen angeboten werden. Die Betroffenen werden nicht in dem Umfang arbeitslos, wie Stellen abgebaut werden.“ Viele der Betroffenen würden in angrenzenden Industrien unterkommen. „Es herrscht nach wie vor Fachkräftemangel, der in den kommenden Jahren auch nicht kleiner wird“, so Kallweit weiter.

Zudem gibt er zu bedenken: „Wenn ein Mitarbeiter eines Automobilzulieferers zu einem Batteriehersteller wechselt, dann wird er statistisch der Elektroindustrie zugeschlagen. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Mitarbeiter zu einem Halbleiterhersteller wechselt. Sie zählen dann nicht mehr automatisch zu den klassischen Autozulieferbetrieben, stellen aber sehr wohl noch Komponenten für Fahrzeuge her.“

Kallweit verweist darauf, dass die Beschäftigung in der gesamten Automobilindustrie in Deutschland zwischen 2019 und 2023 um sechs Prozent gesunken ist. „Bei den Zulieferern war der prozentuale Rückgang etwas stärker. Der Rückgang in der Autoproduktion war jedoch deutlich stärker. 2023 wurden hierzulande 4,1 Millionen Pkw produziert, 2019 waren es noch 4,7 Millionen. Ein Minus von rund zwölf Prozent.“
 
Auf dem Höchststand der Inlandsproduktion 2016 wurden in Deutschland noch gut 5,7 Millionen Fahrzeuge gebaut. Die Anzahl der Beschäftigten in der Automobilindustrie sei seitdem aber nur um rund 30.000 auf nun etwa 780.000 Beschäftigte gesunken. „Angesichts des deutlichen Produktionsrückgangs und der Transformation hätten die Beschäftigungseffekte weitaus deutlicher ausfallen können“, sagt Kallweit.

Dem VDA-Chefvolkswirt ist es besonders wichtig, die kleinen, mittelständischen Unternehmen im Blick zu behalten. „Wenn diese einen Mitarbeiter zum Softwareingenieur umschulen, besteht die Gefahr, dass dieser sich anschließend einen Job bei einem größeren, zahlungskräftigeren Arbeitgeber sucht und der Mittelständler auf den Kosten sitzenbleibt. Das können sich kleinere Unternehmen nicht leisten. Solche Firmen müssen bei der Qualifizierung und Umqualifizierung von Mitarbeitern stärker unterstützt werden.“

Dazu aus dem Datencenter:

Die 100 umsatzstärksten Automobilzulieferer weltweit 2022