Long Beach statt Köln: Ford baut Entwicklungszentrum für günstige E-Autos

Ford setzt in den USA nur auf große Pick-ups und SUVs? Weit gefehlt. Der Autobauer eröffnet in Long Beach nahe Los Angeles Anfang 2025 einen Campus, wo laut einer Sprecherin „eine neue Generation kleiner und bezahlbarer“ Elektroautos entwickelt werden soll.

Wie US-Medien berichten, werden dort 450 Personen arbeiten. Sie sollen eine Plattform entwickeln, auf der mehrere Elektroautos basieren werden: ein kleines SUV, ein kleiner Pick-up und ein drittes Modell, das für Fahrdienst-Services genutzt werden könnte.

Für die gebeutelte Europazentrale in Köln ist das eine schlechte Nachricht. Bislang galt Europa als Fords Kompetenzzentrum für kleine und mittelgroße  Autos. Doch nach dem Ende von Fiesta, Focus und Mondeo werden bald nur noch das E-SUV Explorer und ein noch nicht näher benanntes zweites Modell gebaut.

Ford hat klar gemacht, das Europa nur noch eine Filiale der US-Zentrale ist. Forschung und Entwicklung, das zeigt jetzt auch das Beispiel Long Beach, sind hierzulande kaum noch vorgesehen. Die Entwicklungskapazitäten in Köln-Merkenich hat das Unternehmen bereits massiv beschnitten, das Forschungszentrum in Aachen geschlossen.

Die in Long Beach entwickelten Autos dürften nicht vor Ende 2026 auf den Markt kommen. Wenn von „kleinen E-Autos“ die Rede ist, bedeutet das in diesem Fall „klein“ nach US-Maßstäben. Für Europa-Verhältnisse dürfte es sich durchaus um Kompaktmodelle handeln. Als Basispreis werden 25.000 Dollar (23.500 Euro) genannt.

Ford-Chef Jim Farley, hatte bereits im Februar in einer Telefonkonferenz gesagt, dass ein kleines Team für Ford an bezahlbaren E-Autos arbeite. Nun zeigt sich, was damit gemeint ist: Leiter des Teams ist Alan Clarke, der zuvor zwölf Jahre für Tesla gearbeitet hat. Hinzu kommen Experten von Rivian, Lucid und Apple. Farley sprach von „einigen der besten E-Auto-Ingenieuren der Welt“.

Mit dem Standort in Kalifornien will das Unternehmen Mitarbeiter anlocken, die vermutlich nicht nach Michigan ziehen würden, wo sich die Ford-Zentrale befindet.

„Long Beach ist ein Schlüsselelement unserer Strategie, Top-Talente zur Entwicklung künftiger Modelle zu gewinnen, sagte Doug Field. Der Chef von Fords E-Auto-Sparte hat früher selbst für Tesla und Apple gearbeitet.

Ford kann weitere Elektro-Modelle gut gebrauchen. Bisher hat das Unternehmen den Mustang Mach-E auf dem Markt, der in den USA in den ersten fünf Monaten des Jahres immerhin auf Platz 3 der E-Autos hinter dem Tesla Model Y und dem Model 3 lag, sowie den bisher mäßig erfolgreichen Pick-up F-150 Lightning. Hinzu kommt in Europa der gerade gestartete Explorer.

Für Ford Europa ist die Entscheidung für das Entwicklungszentrum in Kalifornien ein weiterer Nackenschlag nach dem Abgang von Martin Sander zu VW und der Entmachtung der Ford-Geschäftsführung in Europa.

Offenbar traut die Chefetage in den USA den Europäern nun auch die Entwicklung von kleinen Autos nicht mehr zu, die eigentlich deren Spezialität sein sollte. Schon den Explorer hat Ford nicht selbst entwickelt. Er basiert auf dem MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten) des VW-Konzerns.

Inzwischen ist die Produktion des Explorers zwar angelaufen, er kommt jedoch zu einer Zeit, in der die Nachfrage nach E-Autos nachlässt und tritt in einem Segment mit zahlreichen starken Konkurrenten an. Für Ford Europa hängt viel von seinem Erfolg ab.

Auf dem Heimatmarkt steht Ford hingegen weiterhin gut da. Im ersten Quartal 2024 lag der Hersteller mit einem Marktanteil von 12,6 Prozent auf dem zweiten Platz hinter Toyota mit 12,8 Prozent und deutlich vor Chevrolet mit 10,2 Prozent.

Elektroautos spielen in den USA bisher eine geringere Rolle als in Europa. Im vergangenen Jahr lag ihr Marktanteil an den Neuzulassungen bei neun Prozent, in Europa hingegen bei fast 15 Prozent. Doch im Zuge schärferer Umweltgesetze könnte sich das in den nächsten Jahren ändern.