Warum wollten ihre Kinder nicht übernehmen?
Halt, das kann noch kommen. Meine Tochter ist im Unternehmen in strategischer Funktion. Sie ist sehr gut ausgebildet, war jahrelang bei einer Beratungsfirma. Das gleiche gilt für meinen Sohn, der woanders im Software-Bereich erfolgreich ist. Beide haben aber noch nicht die nötige Erfahrung für einen Posten auf Geschäftsführerebene. Mein Nachfolger ist Mitte 40. Wenn er es gut macht, dann kann er bei uns in die Rente gehen.
War Herr Twiehaus ihr Wunschkandidat?
Ja, ich habe sein Wirken bei Hella verfolgt und einen Tipp bekommen, dass hier möglicherweise eine Chance besteht. Als er dann frei war, sind wir uns relativ schnell einig geworden. Und ich darf behaupten, dass der Übergang bilderbuchmäßig vorbereitet ist.
Schmerzt es Sie, dass Sie ausgerechnet in einem Krisenjahr aufhören?
Es wird leider kein Rekordjahr zum Abschluss (lacht). Wir gehen beim Umsatz eher von einer Seitwärtsbewegung aus. Die Stückzahlen bei den Kunden gehen zurück, wir kommen also nicht auf die erforderliche Produktivität. Wir haben immer noch die gestiegenen Materialkosten aus der Corona-Zeit und aufgrund des Ukraine-Krieges, die wir nicht komplett weitergeben konnten. Wir sind zwar bemüht, ständig effizienter zu werden. Aber obwohl wir auch ein Schalterhersteller sind, können wir hier den „Schalter“ nicht einfach umlegen.
Mit stagnierendem Umsatz sind Sie noch besser dran als viele andere.
Das mag sein, ist aber nur ein schwacher Trost. Aktuell reduzieren wir unsere Kosten und passen weltweit die Strukturen an. Gott sei Dank sind wir an den richtigen Standorten der Welt, sowohl was die Regionen wie die Kunden angeht. Wir haben in diesem Jahr Fertigungen in Tunesien sowie bei Erfurt eröffnet; nächstens Jahr erfolgt die Erweiterung in Indien. Von dort aus beliefern wir auch diejenigen OEMs, die Geschäfte mit China inzwischen meiden.
Es gibt mehr Volatilität, weniger Stückzahlen. Wie stellen Sie sich darauf ein?
Wir können versuchen, mehr zu standardisieren. Aber im Bereich der Bedienfelder, in dem wir auch unterwegs sind, ist das nicht so einfach. Wenn die Stückzahlen fehlen, leidet die Produktivität. Daher müssen wir neben der Produktion auch die Vertragssysteme mit den OEMs anpassen. Nach einer aktuellen Ifo-Umfrage haben inzwischen 44 Prozent der Unternehmen eine Nettorendite von unter zwei Prozent. Das ist zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. Es besteht Handlungsbedarf.
Ist eine Neuausrichtung des Verhältnisses notwendig?
Wir waren bisher schon finanziell nicht verwöhnt. Wir gönnen unseren Kunden herzlich zweistellige Margen, aber eine gewisse Ausgewogenheit wäre eine partnerschaftliche Geste. Die Zulieferer müssen eine Chance haben, Geld zu verdienen und zu investieren. Und es sollte möglich sein, dass mal etwas schief geht in der Entwicklung, ohne dass man gleich insolvenzgefährdet ist. Ohne Innovation werden wir abgehängt. Ich sehe hier aber gewisse Anzeichen für ein besseres Miteinander.
Inwiefern?
Man spürt in der Industrie, dass es eine neue Wertschätzung unserer Kunden gibt gegenüber denjenigen Zulieferern, die noch verlässliche Partner sind. Mit jeder Insolvenz wird die Auswahl für unsere Kunden kleiner. Mein Eindruck ist, dass eine kurze Distanz, die gleiche Sprache, das gleiche Mindset wieder mehr zählen. Wenn man schnell und erfolgreich entwickeln will, ist das vorteilhafter, als nur isoliert auf die Kosten zu schauen und am Ende die Zeitziele nicht zu erreichen.
Machen Sie sich Sorgen um die deutsche Autoindustrie?
Die Schwierigkeiten sind größer geworden, unbestritten. Aber nicht, weil die Strahlkraft der Marken nachgelassen hat, sondern weil die politischen Rahmenbedingungen nicht stimmen. Wir haben es mit erratischen Entscheidungen zu tun, wie zum Beispiel bei der plötzlichen Abschaffung der Kaufprämie für Elektroautos. Bei der Ladeinfrastruktur höre ich nur Lippenbekenntnisse, aber es passiert nichts. In dieser Regierung wird in die eine Richtung geblinkt und dann in die andere abgebogen. Wir brauchen aber Verlässlichkeit.
Die geopolitischen Unsicherheiten nehmen zu. Was erwarten Sie mit Donald Trump als Präsident?
Für mich ist das kein Schreckgespenst. Abgesehen von wenigen Überraschungen war die erste Amtszeit von Trump für unser Unternehmen nicht von Nachteil. Wir müssen uns generell auf neue Unabhängigkeitsbestrebungen der USA, China oder auch Indien einstellen. Da müssen wir aufpassen, dass Europa nicht zerrieben wird. Wir als Marquardt haben den Vorteil, dass wir in allen Regionen gleichermaßen vertreten sind. Wir könnten zum Beispiel in den NAFTA-Raum verlagern. Es wäre schade, wenn es neue Restriktionen geben würde, aber wir könnten damit umgehen.
Überall fallen in der Industrie Stellen weg, wie sieht’s bei Marquardt aus?
Am Ende des Jahres werden wir weltweit etwa 500 Beschäftigte weniger haben. Das sind Stellen, die in der Regel nicht mehr neu besetzt werden. Wir mussten aber auch in geringem Umfang betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Wir müssen in dieser Situation die Effizienz erhöhen.