Bis zu 50 Prozent mehr Insolvenzen: Autozulieferern droht 2025 Pleitewelle

Die Autozulieferindustrie in Deutschland steht vor einer Pleitewelle. „Wir gehen davon aus, dass die Insolvenzen im Automotive-Sektor in 2025 um 40 bis 50 Prozent steigen werden“, sagt Jonas Eckhardt, Automotive-Experte der Restrukturierungsberatung Falkensteg der Automobilwoche.

Dabei hatte es die Branche 2024 schon hart getroffen. Im Vergleich zu 2023 legten die Unternehmenspleiten in diesem Sektor um rund zwei Drittel auf 56 zu und erreichten den Wert des Corona-Jahres 2020.

Damit entfiel 2024 etwa jede sechste Insolvenz auf die Automobilbranche. Im vergangenen Jahr gingen auch Traditionsunternehmen wie Recaro pleite. „Aber auch Bereiche im Umfeld von Automotive wie beispielsweise die Elektrotechnik oder die Kunststoffindustrie bis hin zum Maschinenbau werden in den Sog gezogen“, sagt Eckhardt.

Im vergangenen Jahr waren von den Insolvenzen vor allem Gießereien und Galvanikbetriebe betroffen. Nach Angaben des Branchenexperten ist bei den Gussteilen beispielsweise hierzulande "nicht mehr die Wettbewerbsfähigkeit gegeben".

Die Teile würden im Ausland günstiger eingekauft. Ansonsten gelte ganz allgemein: „Wenn weniger Autos produziert werden, werden auch entsprechend weniger Teile benötigt.“

Dem Falkensteg-Manager fällt zudem auf: "Größere Insolvenzen wie die der WKW-Gruppe mit 600 Millionen Euro Umsatz oder Eissmann mit einer halben Milliarde Euro Umsatz, gab es in der Vergangenheit eher selten."

Die Fahrzeughersteller hätten früher einen so großen Zulieferer nicht fallen lassen. "Da wurde das Problem im Vorfeld gelöst und die Preise angepasst, weil das Geld dafür vorhanden war.“ Jetzt würden auch viele größere Unternehmen wackeln.

Derzeit registriert er, dass die Fahrzeughersteller bei Preisverhandlungen mit ihren Zulieferern "sehr zurückhaltend sind, weil sie selber unter Druck stehen“. Das werde auch für die größeren Zulieferer zum Problem. "Deshalb kann künftig auch mal ein Unternehmen mit einer Milliarde Euro Umsatz oder mehr ins Trudeln geraten", befürchtet er.

Bei den Zulieferern, die die Fahrzeughersteller direkt beliefern, hätten sich in den vergangenen Jahren gezeigt, "dass die OEM keine Insolvenzen in Eigenverwaltung mögen". Sie finden diese zu teuer und zu sehr auf die Altgesellschafter fokussiert.

"Die Fahrzeughersteller wollen einen Insolvenzverwalter beim Zulieferer sehen“, so seine Erfahrung. Deshalb gebe es im Vergleich zu anderen Branchen im Automotive-Segment deutlich mehr Regelinsolvenzverfahren als solche in Eigenverwaltung.

Zudem registriert er in den Verfahren eine Tendenz "zu einer harten Restrukturierung“. Denn der Verkauf eines Unternehmens, der vor zwei oder drei Jahren noch relativ einfach war, funktioniere so nicht mehr. "Dem Insolvenzverwalter bleiben nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder eine harte Restrukturierung durchzuführen oder die Liquidation."

Ähnlich sieht es Lars Faeste, Europachef der Unternehmensberatung FTI Consulting, die auf Restrukturierungen spezialisiert ist. "Jedes Unternehmen in der Branche muss jetzt ausreichend Cash generieren, um Investitionen in die Zukunft tätigen zu können." Deshalb gehe an einer Restrukturierung samt harter  Einschnitte häufig kein Weg vorbei. 

Laut Jonas Eckhardt ist der Ton in den letzten ein bis eineinhalb Jahren in den Insolvenzverfahren rauer geworden. „Bei den Restrukturierungen werden wir vermehrt einen deutlichen Personalabbau mit Standortschließungen sehen. Die Einschnitte werden tiefer.“

Dennoch ist für ihn die Sanierung der richtige Weg. „Man muss die Insolvenz nutzen und sich als Unternehmen an das jetzige Nachfrageniveau anpassen. Und das wird nachhaltig niedrig bleiben.“

Und Lars Faeste hat insbesondere für die strauchelnde Zulieferer eine Empfehlung: "Neuausrichtung auf attraktive Regionen, Kunden, Technologien und Produktbereiche. Schnelle Anpassung der Organisation und der Kapazitäten. Steigerung und Beschleunigung der Innovationskraft, zum Beispiel auch durch Partnering.“