Chinesische Marken spielen kaum eine Rolle. Deswegen ändern die Hersteller jetzt ihre Strategie - nicht nur mit Blick auf die Vielzahl der Marken, sondern auch beim Vertriebsansatz. Jüngstes Beispiel: Geely mit Lynk & Co.
Mit seinen Polestar Spaces blieb die chinesische Marke hinter den Erwartungen zurück. Jetzt sollen Händler stärker unterstützen.
Die Vielfalt chinesischer Automarken verwirrt die Kunden in Europa – und Chinas Konzerne ziehen jetzt Konsequenzen. Der Vielmarken-Konzern Geely will das Namens-Wirrwarr stutzen: Lynk & Co soll in Zeekr integriert werden und könnte als eigenständige Marke ganz verschwinden.
Geelys Pläne sind Teil einer Umorientierung, die bei mehreren chinesischen Herstellern zu beobachten ist. Denn die ehrgeizigen Expansionshoffnungen haben sich vor allem in Deutschland bislang nicht erfüllt.
Geplant war das alles anders: Nach Landwind, Brilliance & Co starteten chinesische Hersteller in den vergangenen zwei Jahren den dritten Versuch, in Europa und Deutschland Fuß zu fassen. Bislang vergebens. Nun bauen sie massiv ihre Vertriebspläne um: Die meisten chinesischen Marken stellen sich neu auf.
Beispiele dafür gibt es viele:
Selbst MG, die bislang als einzige in Deutschland nennenswerte Stückzahlen verkaufen, sind von den ursprünglichen Plänen abgerückt: Gestartet mit dem Agenturvertrieb bei Elektroautos, schwenkten sie beim Ende 2022 eingeführten Verbrenner-SUV ZS auf den selektiven Vertrieb um.
„Wir gehen davon aus, dass chinesischen Hersteller jetzt mit einer zweiten Welle kommen, in vielen Fällen mit lokalen Vertriebspartnern“, sagt Jan-Christoph Köstring, Senior Partner McKinsey. „Diesen Vorstoß muss man signifikant ernster nehmen als den ersten Versuch.“
Klar: Die Händler kennen den Markt und haben den direkten Draht zum Kunden. Das kann zum entscheidenden Vorteil werden. „Vor drei Jahren wollte noch kaum ein Händler mit einem chinesischen Hersteller zusammenarbeiten“, so Köstring. „Jetzt sind sie für viele Händler interessant und eine willkommene Alternative.“
Die Offenheit der Händler hat mehrere Gründe: Wenn etablierte Hersteller Marktanteile verlieren, trifft dies auch die Händler. Zudem streichen viele Hersteller ihre Vertriebsausgaben zusammen, auf Kosten der Händler.
Der Fehlschlag vieler chinesischer Hersteller ist eine Mischung aus schwierigen Rahmenbedingungen und eigenen Fehlern. Sie bekommen den Einbruch der Nachfrage nach Elektroautos gleich mehrfach zu spüren: Die Skepsis, die allen Neustartern entgegenschlägt, wird verstärkt durch ihre chinesische Herkunft. Zudem führt der Markteintritt über private Kunden, diese halten sich jedoch nach dem Aus der staatlichen Zuschüsse noch deutlich stärker zurück als gewerbliche Käufer.
Die schwierigen Umstände werden verstärkt durch Fehleinschätzungen. McKinsey-Manager Köstring sieht vor allem drei Problemfelder:
Mit entsprechend breiter Brust treten die chinesischen Hersteller auf. Dabei bekommt man auf dem hart umkämpften deutschen Markt nichts geschenkt. Ein Beispiel: „Polestar verkauft ein Lebensgefühl und keine Fahrzeuge“, sagt ein Verkaufsprofi, der als Berater in der Branche aktiv ist.
In dem aktuell schwer umkämpften Markt habe man es so gegen Wettbewerber wie BMW und Mercedes sehr schwer. „Hier sind die Verkäufer mit allen Mitteln ausgerüstet und wissen alle Tricks“, so der Branchenkenner. „Wer jetzt nicht alle Verkaufsregister zieht, lässt viel liegen.“
Und wer die Segmente für die breite Masse nicht bedient, auch. Denn nach wie vor fehlen günstige Angebote im Elektrobereich. „Sie wollten nicht als Billig-Anbieter wahrgenommen werden, deshalb haben sie nicht von Beginn an nur die Preiskarte gespielt“, so Köstring.
Klappt die Skalierung nicht, haben sie noch einen Trumpf. Aufgrund ihrer guten Kostenstruktur haben chinesische Hersteller beim Preis noch einen großen Spielraum. Wenn andere Hersteller mit aggressiven Preisen in den Markt gehen, können sie nachlegen. Allerdings drohen die von der EU angekündigten Zölle den Vorteil zu vernichten.
„Wegen des aktuell noch bestehenden Mangels an bezahlbaren Elektroautos ist das Fenster für chinesische Hersteller noch zwei, drei Jahre offen“, sagt der McKinsey-Berater. Sie würden schnell lernen und aus Fehlern Konsequenzen ziehen. Köstring: „Ich warne davor, sie zu unterschätzen.“
