Konsolidierung im Handel: Fusionieren oder verschwinden

Drei neue Marken, zwei neue Standorte – die Autohausgruppe Nowag ist auf Wachstumskurs. Mit den zu Jahresbeginn übernommenen Autohäusern Nagel und Groenewold und deren Marken Mazda und Hyundai sowie Ford verlässt der Top-50-Händler im Pkw-Bereich erstmals den Volkswagen-Markenkosmos. Das Ziel: Das bestehende Marktgebiet "nachverdichten", wie es Geschäftsführer Stefan Schwarte ausdrückt. 

Zwei weitere Betriebe – einer für Ford, einer für Hyundai sind bereits geplant. Denn bei den VW-Marken ist das Potenzial ausgeschöpft. "Bei unseren Kernmarken ist der Markt rund um unser Geschäftsgebiet weitgehend unter anderen großen Gruppen verteilt", sagt Schwarte.

Dass die Autohausgruppe mit aktuell 15 Standorten und zuletzt 13.700 verkauften Fahrzeugen sich einen festen Platz unter den größten Autohändlern Deutschlands erobert hat und diesen Übernahmekurs fahren kann, ist keine Selbstverständlichkeit. 

Noch vor wenigen Jahren wären die damals noch getrennten Autohäuser Schwarte und Braasch auf lange Sicht vielleicht selbst Übernahmekandidaten gewesen. Dann fiel der Entschluss, 2023 zu fusionieren. "Wir haben uns gemeinsam die Frage gestellt, wie wir unsere Unternehmen in die Zukunft führen können", sagt Schwarte rückblickend. Ergebnis: Gemeinsam eine "relevante Größe" erreichen.

Ähnliche Fragen stellen sich auch andere Händler – und finden dieselbe Antwort wie die Autohäuser Schwarte und Braasch. 2022 fusionierten die Autohäuser Riebold-Rösner-Raith sowie Wentorf & Schenkhut zur Automobilgruppe Harz-Leine, später schlossen sich vier Händler zur Avemo-Gruppe zusammen – nach Fahrzeugabsatz Deutschlands siebtgrößter Händler.

"Wir werden im Handel künftig häufiger Formen von Händlerkooperationen sehen, unter anderem auch Fusionen", sagt Prof. Benedikt Maier, stellvertretender Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA). Ziel seien vor allem Skaleneffekte, unter anderem durch Größenvorteile im Einkauf, eine höhere Marktmacht sowie mehr Effizienz und die Senkung von Fixkosten.

Der Ansatz von Fusionen sei auch "sehr sinnvoll", findet Maier. Ein Selbstläufer sind Fusionen indes nicht: Es lauern erhebliche Risiken. Anstatt zu sinken, könnten speziell bei Fusionen die Kosten am Ende durch wachsenden Koordinationsaufwand oder größere organisatorische Komplexität sogar höher sein, warnt Maier. Es drohten "Diseconomies of Scale" – sprich Skalennachteile.

Entscheidend sei, dass es gelingt, eine neue, gemeinsame Organisationsstruktur mit klarer Rollenverteilung für die einzelnen Akteure zu schaffen und Zentralaufgaben zusammenzufassen. Genau das unterbleibe aber oft, sagt Maier und ergänzt: "Im Unternehmensverbund zu arbeiten, parallel jedoch die bestehenden Strukturen in den ursprünglichen Organisationen aufrechterhalten, ist nicht sonderlich erfolgversprechend."

Bei klassischen Übernahmen ist dieses Risiko geringer: Hier gibt eine Seite den Ton an und kann ihre Prozesse und Strukturen der anderen Seite überstülpen.

Sowohl die Nowag-Gruppe als auch die Harz-Leine Gruppe haben diese Fehler nicht gemacht. Beide haben Funktionen wie Gewährleistung, Buchhaltung oder Disposition aus den Einzelbetrieben herausgenommen und in Zentralabteilungen gebündelt. "Mit dem Zusammenschluss wollten wir Synergieeffekte heben. Das ist uns auch gelungen" sagt Schwarte.

Man erreiche beispielsweise deutlich höhere Herstellerboni als zuvor und sei mit den Zentralabteilungen deutlich effizienter. Auch die Harz-Leine Gruppe zieht eine positive Bilanz: "Unser Zusammenschluss hat zu großen Teilen gut funktioniert. Wir haben einheitliche Prozesse und Strukturen etabliert", sagt Geschäftsführer Jobst von Garmissen.

Der wohl wichtigste Erfolgsfaktor bei alldem: Es muss menschlich passen. "Beide Seiten müssen die Fusion wirklich wollen und bereit sein, dafür auch Liebgewonnenes aufzugeben", sagt von Garmissen und ergänzt: "Wenn jeder weiter versucht, sein eigenes Süppchen zu kochen, ist das hochgefährlich."

Das sieht Schwarte ähnlich: "Wenn ich den Wert meines Unternehmens erhalten oder steigern will, dann darf ich nicht in alten Strukturen bleiben. Dazu gehört dann auch, einen Teil des Unternehmens an Partner zu geben und gemeinsam weiterzumachen." Angesichts der guten Erfahrungen kann sich Schwarte neben weiteren Übernahmen kleinerer Händler auch vorstellen, weitere Gesellschafter in die Nowag Gruppe aufzunehmen – sofern es menschlich passt.