TÜV Rheinland geht auf Einkaufstour und kämpft mit Altlasten

Die Prüforganisation TÜV Rheinland ist weiter auf Wachstumskurs. Im abgelaufenen Geschäftsjahr kletterte der Umsatz des Konzerns um 7,2 Prozent auf rund 2,4 Milliarden Euro. Einer der maßgeblichen Umsatztreiber waren dabei Unternehmenszukäufe. Insgesamt zehn Unternehmen in Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien aus Bereichen wie Technische Beratung, Umwelt- und Gesundheitsschutz, funktionale Sicherheit und Cybersecurity mit einem jährlichen Gesamtumsatz von 78 Millionen Euro kamen 2023 dazu. Man sei in einer "Wachstumsphase" und wolle durch die Zukäufe das bestehende Dienstleistungsportfolio stärken, erklärte Vorstandschef Michael Fübi auf der Bilanzpressekonferenz von TÜV Rheinland.

Während der Umsatz stieg, gab es auf der Ertragsseite jedoch einen deutlichen Dämpfer. Das EBIT brach um 42 Prozent ein, von 180,3 auf 103,9 Millionen Euro. Die Rendite sank dadurch auf 4,3 Prozent – angestrebt waren sieben Prozent. Dennoch zeigte sich Fübi überaus zufrieden. "Wir waren sehr erfolgreich letztes Jahr".  Ursache für den Rückgang seien unter anderem deutliche Kostensteigerungen etwa beim Personal, die man nicht eins zu eins habe weitergeben können, so Fübi.

Den weit größeren Anteil am Rückgang hatten aber Sondereffekte, allen voran zusätzliche Rückstellungen in Höhe von 47,2 Millionen Euro für laufende Gerichtsverfahren rund um den 2010 aufgedeckten Skandal um mangelhafte Silikon-Brustimplantate des französischen Herstellers PIP. TÜV Rheinland hatte das Qualitätssicherungsverfahren des Unternehmens zertifiziert. Klägerinnen werfen den Kölnern Schlamperei vor.

Die gesamten Rückstellungen der Prüforganisation belaufen sich nunmehr auf rund 277 Millionen Euro. "Das Thema PIP wird uns noch viele Jahre beschäftigen", erklärte Fübi. Derzeit gebe es in Frankreich noch 40.000 Klägerinnen mit offenen Verfahren. TÜV Rheinland sieht sich in dem Fall selbst als Opfer. "Wir sind nach wie vor überzeugt, dass wir nichts falsch gemacht haben", so Fübi. Man sei ebenso wie die Kunden betrogen worden. Aus kaufmännischer Vorsicht bilde man aber dennoch Rückstellungen.

Weitere Sonderbelastungen für das EBIT ergaben sich aus Restrukturierungsmaßnahmen (12,6 Millionen Euro) sowie Effekte auf vergangene Kaufpreisallokationen (9,9 Millionen Euro). Um die Sondereffekte bereinigt liegt das EBIT bei 174 Millionen Euro. Damit sei man wieder im erwarteten Korridor, betonte Finanzvorstand Philipp Kortüm.

Überdurchschnittlich gut schnitt im vergangenen Jahr der Mobilitätsbereich ab, der um zwölf Prozent auf rund 710 Millionen Euro wuchs. Die Sparte ist der größte Geschäftsbereich von TÜV Rheinland vor Industrieprüfungen (687 Mio. Euro) und Produktprüfungen (658 Mio. Euro.) liegt aber deutlich hinter Wettbewerbern wie Dekra, die 2022 allein mit Fahrzeugprüfungen auf weltweit 1,3 Milliarden Euro Umsatz kamen.

TÜV Rheinland erzielte mit Fahrzeugprüfungen 2023 rund 406 Millionen Euro, davon rund 300 Millionen in Deutschland. Bei der Hauptuntersuchung liege man damit auf Platz drei hinter Dekra und TÜV Süd, so Fübi. Der Gesamtumsatz in Deutschland liegt bei 1,2 Milliarden Euro – die Hälfte des Konzernumsatzes.

Zunehmend wichtig wird daneben das Asiengeschäft. Allein auf die Region "Greater China" entfallen bereits 485 Millionen Euro Umsatz. Das ist mehr als das übrige Europageschäft mit rund 307 Millionen. Und dieser Anteil dürfte noch deutlich wachsen. Allein im ersten Quartal 2024 hat TÜV Rheinland drei weitere Unternehmen gekauft, davon zwei in China. Auch ein großer Teil der Investitionen von 87,9 Millionen Euro floss in das Land, allein 8,5 Millionen in ein Prüflabor für Photovoltaikmodule. Man sei überzeugt von dem Markt und sehe weiterhin Wachstum in China, betonte Fübi. In Deutschland flossen 24 Millionen Euro in ein neues Batterieprüflabor nahe Aachen.

Schwerpunkt der Investitionen ist der Bereich Nachhaltigkeit, der mittlerweile ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmacht, sowie KI. Hier hat TÜV Rheinland mit den anderen TÜV-Unternehmen ein "AI.Lab" in Berlin gegründet, um Methoden und Standards für die Prüfung insbesondere sicherheitskritischer KI-Anwendungen voranzutreiben.

Für das laufende Jahr peilt TÜV Rheinland wieder eine Rendite von sieben Prozent bei einem Umsatzplus von fünf Prozent an. "Wir wollen auch 2024 wieder deutlich wachsen – unter anderem mit Dienstleistungen, mit denen wir unsere Kunden auf dem Weg, ihre ESG-Ziele zu erreichen sowie Produkte oder Services mit nachhaltiger Wirkung auf den Markt zu bringen, wirksam unterstützen", so Fübi.