Analyse: Verliert GM den Anschluss an die Zukunft?

General Motors ist in Europa schon lange kein relevanter Autobauer mehr. Doch in Nordamerika gehört GM zu den "big three" neben Ford und Chrysler (Stellantis) – noch.  Denn drei Entwicklungen Entscheidungen haben Zweifel gesät, ob GM mit Mary Barra an der Spitze noch die Fähigkeiten haben wird, um im Rennen um die Zukunft des Automobils vorne mitzuspielen.

Es geht zum einen um den Ausstieg aus dem Rennen um das vollautonome Roboter-Auto, zum anderen um die drastische Verkleinerung des China-Geschäfs und drittens um die neue Politik unter Präsident Donald Trump, die womöglich gegen Elektroautos gerichtet sein wird und damit GM besonders stark treffen würde.

So gilt als beispielsweise als recht sicher, dass Trump die bundesstaatliche Förderung in Höhe von 7500 Dollar beim Kauf oder beim Leasing eines EVs ersatzlos einstellen könnte. Die sehr preissensiblen US-Kunden würden auf einen solchen Schritt zweifellos mit Kaufzurückhaltung reagieren – ähnlich wie es in Deutschland nach dem abrupten Ende der Kaufprämie der Fall war.

Ein solcher Schritt  würde zwar alle Autobauer in der Region treffen, in besonderem Maße jedoch GM: Das Unternehmen hat sich wie kein anderer US-Autobauer auf die vollständige Elektrifizierung seines Portfolios bis 2035 festgelegt. Seit 2020 bis Ende 2025 wird der Hersteller rund 35 Milliarden Dollar (33,4 Mrd. Euro) in die EV-Entwicklung investiert haben.

Unter Präsident Trump müsste GM nach Einschätzung der meisten Analysten sein Geschäftsmodell für die Transformation in großem Umfang neu definieren – mit drastischen Folgen für Entwicklung, Produktionskapazitäten und Zulieferer-Verträgen.

Nach einer langen Durststrecke ist es GM gelungen, im gesamten US-Elektroautomarkt die Nummer zwei nach Tesla zu werden und rund zehn Prozent Marktanteil zu erobern, vor allem mit günstigeren Modellen. Allerdings liegt die Profitabilität dieser Modelle deutlich unter den Verbrenner-Modellen, was den Investoren gar nicht schmeckt.

Mehrere Rückschläge im Elektro-Geschäft deuten darauf hin, dass dort mittelfristig für GM kein Durchbruch zu erwarten ist. So verschob der Konzern seine Entscheidung für ein zweites Werk, das ausschließlich elektrische Pick-ups produzieren sollte. Auch der Marktstart des ersten elektrischen Buick- Pick-up wurde verschoben. Und für das Gesamtjahr 2024 nahm GM jüngst seine Produktionsziele für rein elektrische Modelle deutlich zurück.
 

In der vergangenen Woche kündigte GM-Chefin Mary Barra an, sich nach mehr als zehn Jahren intensiver und milliardenschwerer Entwicklungsarbeit aus dem Rennen um das autonome "Robotaxi" zurückzuziehen. Die Tochterfirma Cruise wird mit anderen Entwicklungsteams zusammengelegt und soll sich künftig auf neue Fahrassistenz-Funktionen konzentrieren.

Diese Ankündigung bedeutet nichts anderes als ein totales Scheitern der ehrgeizigen Autonomie-Pläne von GM. Gut zehn Milliarden Dollar hat der Autobauer dabei versenkt.

GM hatte Cruise im Jahr 2016 übernommen und damals angekündigt, den vollelektrischen Chevrolet Bolt vollautonom ausgestattet in San Francisco, Phoenix und Austin einzusetzen. Ein Unfall mit tödlichem Ausgang eines KI-Bolt leitete dann das Aus von Cruise ein.

Eine strategische Entscheidung mit langfristig bedrohlichen Folgen ist auch der sich abzeichnende Rückzug von GM vom chinesischen Markt. Anfang Dezember kündigte der Hersteller an, er werde auf seine Investitionen in das China-Joint Venture mit dem chinesischen Konzern SAIC Abschreibungen in Höhe von gut fünf Milliarden Dollar vorzunehmen.

Im Einzelnen werden 2,6 bis 2,9 Milliarden Dollar auf das Joint Venture abgeschrieben, weitere 2,7 Milliarden fallen für notwendige Restrukturierungsmaßnahmen an, insbesondere für die Schließung mehrerer Werke.

Das ist das Eingeständnis, dass GM nicht mehr mithalten kann im Preis- und Verdrängungsmarkt China. Einst waren die Amerikaner dort mit ihren Marken Buick und Chevrolet die Nummer zwei unter den ausländischen Herstellern nach dem Volkswagen-Konzern.
 

Doch inzwischen ist das China-Geschäft zu einem Klotz am Bein geworden. Allein in den ersten drei Quartalen verbuchte GM dort Verluste in Höhe von 347 Millionen Dollar. Der Absatz fiel um 20 Prozent, der Marktanteil sackte auf 6,8 Prozent ab von einst 15 Prozent im Jahr 2015.

Barra erklärte dazu, im extrem überbesetzten chinesischen Markt habe längst ein "Rennen zum Abgrund" eingesetzt. Das klingt nicht nach Neuanfang, sondern nach Schlussstrich. Offiziell allerdings hat GM noch nicht das Ende seiner China-Aktivitäten verkündet. Strategie ist jetzt, durch drastische Kostenschnitte und einem deutlich kleineren Portfolio wieder in die Gewinnzone zu gelangen.

Der Stopp der Autonomie-Entwicklung und der beginnende Rückzug aus China sind dabei keineswegs Ausreißer einer ansonsten makellosen Bilanz von GM-Chefin Barra. Vielmehr kämpft der Hersteller an einer Reihe von Fronten mit Rückschlägen.

So kündigte der Autobauer im August an, sich weltweit von rund 1500 Mitarbeitern in der Software-Entwicklung zu trennen. Mitte November kam die nächste schlechte Nachricht: 1000 Mitarbeiter an verschiedenen Fertigungsstandorten werden nicht mehr gebraucht, zudem steht das Wüsten-Testgelände Yuma Desert in Arizona zum Verkauf.
 

Unter US-Automobilanalysten wird inzwischen häufiger die Frage gestellt, ob Mary Barra noch die richtige Führungskraft ist, um bei der unausweichlichen Gesundschrumpfung des Autokonzerns die richtigen Weichen zu stellen.

"Die Bilanz von Mary Barra ist durchwachsen. Im Verbrenner-Geschäft hat sie in den vergangenen zehn Jahren in 35 von 36 Quartalen bessere Ergebnisse geliefert als von der Finanzwelt erwartet – aber im Elektro-Geschäft ist sie ins Stolpern geraten", urteilt etwa Daniel Howes von den "Detroit News."