Leapmotor ist die inoffizielle 15. Marke von Stellantis. CEO Carlos Tavares nimmt damit Konkurrenz zu anderen Konzernmarken in Kauf.
800 E-Autos von Leapmotor bei der Einschiffung in Schanghai nach Europa: Auf dem Bild ist das größere Modell C10 zu sehen.
Vor wenigen Tagen legte von Shanghai aus das erste Schiff mit 800 Einheiten der Modelle T03 und C10 nach Europa ab. Die Reise endet in mehreren europäischen Häfen, wird aber nicht die letzte ihrer Art sein.
Denn Leapmotor und Stellantis haben nicht vor, ihr Joint Venture Leapmotor International als Nischenmarke in Europa zu positionieren. Stellantis-CEO Carlos Tavares und Jiangming Zhu, Gründer, Chairman und CEO der chinesischen Elektromarke Leapmotor, haben größeres vor.
Die Mission der neuen Marke in Europa ist klar: "Wir werden den Markt für elektrische Autos im Preissegment von 20.000 Euro und darunter auf keinen Fall den Chinesen überlassen", sagt Tavares. Es ist nicht die Sache eines Carlos Tavares, sich von Konkurrenten vor sich hertreiben zu lassen.
Deshalb entschied er sich zur Offensive: Stellantis beteiligte sich im Oktober 2023 mit 21 Prozent an Leapmotor. 1,5 Milliarden Euro war Tavares dieser Coup wert. Die beiden Partner gründeten das Gemeinschaftsunternehmen Leapmotor International, an dem Stellantis wiederum 51 Prozent hält.
Seine Aufgabe ist nicht nur der exklusive Verkauf von Leapmotor-Modellen außerhalb von China, sondern auch das exklusive Recht, Leapmotor-Modelle außerhalb des Heimatmarktes zu produzieren.
Zwar hat Stellantis mit dem neuen Citroën e-C3 und dem kommenden Fiat Grande Panda günstige E-Autos für weniger als 25.000 Euro am Start – doch der Volumenmarkt erfordert auch Angebote deutlich unterhalb dieses Preisniveaus.
Tavares will dieses Feld nicht allein Dacia überlassen oder dem Erzrivalen Renault, der nach dem R5 electrique den noch günstigeren R4 electrique präsentieren wird. Und man will gewappnet sein für die erwartete Herausforderung durch einen VW ID.1 und andere Günstig-Stromer aus dem Hause Volkswagen.
Leapmotor-Boss Zhu hat einigen Grund, optimistisch zu sein. In China war seine Marke per Ende Juni bereits die Nummer vier unter den chinesischen Anbietern von so genannten "New Energy Vehicles", Autos mit alternativen Antrieben. Insgesamt verkaufte die Marke in China schon mehr als 400.000 Fahrzeuge seit dem Marktstart im Jahr 2019.
2023 kletterten die Verkäufe um 29,7 Prozent auf 144.155 Einheiten, der Umsatz wuchs um 35,2 Prozent. Zugleich wurde nach den milliardenschweren Anfangsinvestitionen erstmals die Gewinnschwelle erreicht. Die Marge betrug nach Angaben des Unternehmens 0,5 Prozent.
Die Modelle C10 und T03 wurden nach Angaben des Unternehmens von Anfang an so konzipiert, dass sie globalen Standards entsprechen. Leapmotor will vom Start weg auf Augenhöhe mit Peugeot, Opel oder Fiat auftreten. "Ich bin fest davon überzeugt, dass die Fahrzeuge von Leapmotor von den europäischen Kundinnen und Kunden allgemein akzeptiert werden", sagte Tavares vor wenigen Tagen.
Der Leapmotor C10 ist ein SUV im D-Segment und das erste globale Produkt von Leapmotor, das den von beiden Partnern angestrebten internationalen Maßstäben genügen soll. Er basiert auf der von Leapmotor entwickelten LEAP3.0 Technologie-Architektur, die schon sehr weitgehend einem "software-defined vehicle" entspricht.
So verfügt die Plattform über eine zentral integrierte elektronische und elektrische Architektur, die der Hersteller Cell-to-Chassis (CTC)-Technologie nennt. Auch das Cockpit verspricht auf dem allerneuesten Stand zu sein.
Der kleinere Leapmotor T03 ist ein eher knuddeliger Fünftürer im A-Segment. In der jüngsten J.D. Power Initial Quality Study belegte das Modell zumindest schon den ersten Platz im Segment der kleinen BEVs. Preise und exakte Leistungdaten zu beiden Europa-Modellen hat Leapmotor noch nicht mitgeteilt.
Die beiden Modelle, die nun unterwegs nach Europa sind, sind aber nur der Auftakt zu einer breiten Modellpalette. In den nächsten drei Jahren soll jedes Jahr mindestens ein weiteres Modell auf den Markt kommen. In China sind fünf verschiedene Modelle verfügbar. 2025 ist ein SUV geplant, 2026 ein Fließheck-Modell, 2027 ein weiteres SUV.
Stellantis hat nun den Auftrag, die in Europa völlig unbekannte Marke zu positionieren, zu verkaufen und künftig auch gemeinsam mit Leapmotor zu produzieren.
Zum Verkaufsstart im September sind in Europa 200 Verkaufsstützpunkte geplant, und zwar zunächst in Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, Griechenland, Niederlande, Rumänien, Spanien und Portugal.
Doch schon kurz darauf soll die Marke auch in weitere Märkte vordringen. Im vierten Quartal noch soll der Verkauf in Brasilien und Chile, in der Türkei, Israel sowie in Australien, Neuseeland, Thailand, Malaysia und Indien beginnen.
In China verfügt Leapmotor über zwei große Werke, beide sind in Jinhua angesiedelt. "Workshop1" kann jährlich bis zu 240.000 Fahrzeuge bauen, "Workshop 2" bis zu 180.000 Einheiten. Der Autobauer baut zwar nicht seine eigenen Batterie-Zellen, jedoch die Batterie-Packs. Auf neun Linien können derzeit nsgesamt 500.000 Packs pro Jahr gebaut werden.
Über eine noch größere Kapazität verfügt der Hersteller bei den Antriebssystemen mitsamt Motor, Inverter und Steuergeräten: Rund 600.000 Systeme pro Jahr sind aktuell möglich.
Zudem startete im Juni die Produktion des Modells T03 im polnischen Stellantis-Werk in Tychy. Es ist die erste Produktion eines chinesischen Modells in Europa.
