Porsche und Elektroantrieb? Für Albrecht Reimold ist das "fast schon eine Form von Wellness". Der Produktionsvorstand organisiert die wohl anspruchsvollste Modelloffensive in der Geschichte des Sportwagenbauers. Im Gespräch mit Automobilwoche-Reporter Michael Gerster erklärt Reimold, warum er bei Verbrennern einen harten Schnitt setzt und bei der Batterietechnik Eigenentwicklungen vorantreibt.
Produktionschef Reimold: Porsche steigt in Batteriefertigung ein
Warum Porsche den Umstieg auf Elektromodelle beschleunigt und die eigene Batteriekompetenz stärkt: das große Automobilwoche-Interview mit Produktionschef Albrecht Reimold.
Herr Reimold, wie ist es derzeit um ihren Schlaf bestellt?
Ich schlafe weiter gut, allerdings nie allzu lang. Neben den üblichen Herausforderungen des Alltags habe ich als Vorstand viele repräsentative Aufgaben – auch am Wochenende. Beispielsweise war ich beim Rennwochenende in Le Mans, wenig später beim Oldtimer-Treffen auf der Solitude, dann beim Gewandhaus-Orchester in Leipzig. Meine Arbeitswoche hat derzeit meist sechs Tage. Aber es macht Spaß, das Netzwerk in der Autoindustrie zu pflegen.
Gleichzeitig müssen Sie vier Modellanläufe stemmen, das gab es noch nie, oder?
Das ist schon außergewöhnlich, obwohl ich viele Jahre das Mehrmarken-Werk von Volkswagen in Bratislava geleitet hatte. Besonders fordern uns die volatilen Bedingungen in der globalen Logistik. Alle Teile rechtzeitig an die richtige Stelle zu bekommen, ist eine immense Herausforderung. Wir sind dabei noch enger an der Zulieferindustrie dran als in der Vergangenheit. Zum Teil erkennen wir hier Probleme, komplexe Situationen zu beherrschen.
Also mangelnde Leistungsbereitschaft der Zulieferer?
Nein. Aber es gibt durch die Elektromobilität und die zunehmende Digitalisierung der Autos viele neue Spieler am Markt. Das stellt das ein oder andere Unternehmen vor Herausforderungen. Nicht jeder ist in der Lage, die Industrialisierung von Produkten so voranzutreiben, dass sie zum richtigen Zeitpunkt die richtige Qualität haben. Heute müssen wir öfter mal nachjustieren. Sicherlich hat es auch damit zu tun, dass viele erfahrene Mitarbeiter während der Covid-Zeit früher in den Ruhestand gegangen sind. Die jungen Leute müssen dieses Knowhow erst aufbauen.
War es auch schlechte Planung, dass die Anläufe so dicht gestaffelt sind?
Wir wollten unser Portfolio deutlich verjüngen und haben diesen Kraftakt bewusst entschieden. Ich gebe gerne zu, dass wir mit dem elektrischen Macan früher gerechnet haben und die Verzögerung zusätzliche Komplexität gebracht hat. Aber Jammern hilft nicht. Habe ich im Rennsport eine Kurve nicht perfekt genommen, muss ich die nächste besser anvisieren und wieder Vollgas geben.
Wo stehen Sie beim Hochlauf im Werk Leipzig?
Der neue Panamera wird ausgeliefert, der Hochlauf verlief erfolgreich. Beim Macan wollen wir im zweiten Halbjahr mit den Auslieferungen beginnen. Wir hatten Herausforderungen bei der Software, das ist bekannt. Aber wir werden unsere Ziele wie geplant erreichen, auch wenn es weiterhin anspruchsvoll ist.
Die Marge von Porsche ist im ersten Quartal gesunken, warum kosten die Anläufe so viel Geld?
Das hängt vor allem mit höheren Aufwendungen in der Entwicklung zusammen. Wenn sie beispielsweise bei der Software nochmal eine Schleife drehen müssen, dann ist das ein Mehraufwand. Hinzu kommt ein gewisser V-Effekt, wenn ein Produkt ausläuft. Aufgrund der gestaffelten Einführung in den Märkten entsteht im Übergang zum neuen Modell eine vorübergehende Angebotslücke.
Und das bedeutet?
Das macht sich im Umsatz bemerkbar. Auch das Lieferantennetzwerk muss bei einem neuen Modell oder einer Produktaufwertung neu justiert werden. Alles zusammengenommen sind das erst einmal erhebliche Investitionen. Dafür haben wir nun die jüngste Modellpalette in der Geschichte von Porsche und holen Schwung für die kommenden Jahre – das haben wir auch immer so kommuniziert.
Was haben die Verzögerungen beim E-Macan eigentlich gekostet?
Sie haben sicherlich Verständnis, dass ich dazu keine Aussage machen kann. Das fließt intern in eine Gesamtbetrachtung ein. Wir haben einen definierten Korridor für die Margen und an diesen Zielen halten wir fest.
Wann erreicht der E-Macan seine Kammlinie?
Wir werden die Produktion schrittweise hochfahren, um einen qualitätsorientierten Hochlauf zu gewährleisten. Über den weiteren Verlauf entscheidet nicht zuletzt die Kundennachfrage. Da möchte ich nicht spekulieren. Aber der aktuelle Ordereingang stimmt zuversichtlich.
Und die alte Generation?
Parallel fahren wir die Produktion für den Verbrenner-Macan, den wir weiterhin noch in Überseemärkten verkaufen. Für Europa wurde die Produktion bereits eingestellt. Die letzten Exemplare werden derzeit ausgeliefert. Hintergrund ist eine Cyber-Security-Richtlinie für Europa, die umfangreiche Investitionen in die bestehende Plattform erfordert hätte. Ab Mitte 2026 setzen wir voll auf den elektrischen Macan.
Wie viele Macan werden dieses Jahr aus Leipzig kommen?
Auch dazu kann ich mich nicht im Detail äußern. Im Moment bauen wir die letzte Verbrenner-Generation des Macan für europäische Kunden. Gleichzeitig ziehen wir den elektrischen Macan für alle Märkte hoch. Damit ist das Werk gut ausgelastet, auch weil mit dem Hochlauf immer ein Zusatzaufwand verbunden ist. 2025 können wir dann einige Gänge höherschalten. Insgesamt kann ich der Mannschaft in Leipzig nur ein Kompliment machen. Denn mit dem Panamera und elektrischen Macan hat sie gleich zwei Anläufe zu meistern.
Sie haben das Ziel von 80.000 E-Macan pro Jahr ausgegeben, würden Sie trotz schwächelnden Elektro-Hochlaufs daran festhalten?
Ich bin vom Erfolg des elektrischen Macan überzeugt und die Nachfrage ist hoch, wie ich bereits gesagte hatte. Aber ich mache den Erfolg nicht an einer einzigen Zahl fest, auch wenn die Bestellungen erfreulicherweise bereits im fünfstelligen Bereich liegen.
Woran dann?
Ich bin selbst ein begeisterter Verfechter des elektrischen Antriebs und leidenschaftlicher Taycan-Fahrer. Für mich ist das geräuscharme Fahren mit Porsche-typischer Performance fast schon eine Form von Wellness. Insofern kann ich auch nicht verstehen, dass die Elektromobilität in ihrer Gänze aktuell in der öffentlichen Debatte so negativ dargestellt wird. Allein schon im Sinne der Nachhaltigkeit führt für mich persönlich kein Weg am elektrischen Antrieb vorbei.
Wie viel Verbrenner-Macan werden sie noch produzieren?
Das lässt sich nicht genau vorhersagen. Aber wir sind in Leipzig völlig flexibel und können unterschiedliche Antriebe fertigen – je nach Kundenwunsch und Orderbuch. Klar ist: Der Verbrenner-Macan war und ist ein absolutes Erfolgsmodell – selbst im zehnten Jahr seines Lebenszyklus.
Warum machen Sie dann 2026 einen harten Schnitt?
Das hat in Europa mit den bereits genannten verschärften regulatorischen Anforderungen zu tun, aber auch mit der Verfügbarkeit von Teilen. Die Plattform ist am Ende ihres Zyklus angekommen. Es würde sich nicht mehr lohnen, hier noch viel Geld in die Entwicklung zu stecken. Ganz abgesehen davon ist Volumen allein für uns als Luxushersteller kein Maßstab.
Sondern?
Ein wichtiges Thema für uns ist, unseren Kunden einen hohen Individualisierungsgrad bei der Konfiguration ihres Sportwagens anzubieten. Unsere Kunden nutzen das auch intensiv. Planerisch ist das für uns in der Produktion natürlich eine Herausforderung, immer das richtige Teil zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zu haben. Zudem benötigen sie Mitarbeiter, die viele Handgriffe beherrschen und über umfassende handwerkliche Fähigkeiten verfügen. Und nicht zuletzt ist das Lieferantennetzwerk gefordert, weil wir Ersatzteile auch über den Lebenszyklus hinaus beschaffen müssen.
Stichwort Lieferanten, woher kommt eigentlich die Batterie für den E-Macan?
Unser Zelllieferant ist die Firma CATL mit ihrer Fabrik bei Erfurt. Die Modul- und Batteriemontage erfolgt bei Dräxlmaier am Werk in Leipzig. Gemeinsam mit der Beschaffung versuchen wir im Sinne der Nachhaltigkeit die Logistikwege so kurz wie möglich zu halten. Aber natürlich beziehen wir weiterhin auch Komponenten beispielsweise aus Asien. Das alles muss gesteuert werden.
Oder Sie ziehen selbst eine Modulfertigung hoch wie in der Slowakei. Was ist der Hintergrund?
Hier geht es um eine wichtige Technologie. In Horná Streda nordwestlich von Bratislava haben wir viel Kompetenz in unserem Werkzeug- und Anlagenbau gebündelt. Das nutzen wir, um eine so genannte funktionsintegrierte Batterie zu bauen. Diese hat viele Vorteile, unter anderem das geringe Gewicht. In einem neuartigen, äußerst effizienten Verfahren werden wir die Zellen zu Modulen verarbeiten.
Wie weit sind Sie?
Das Gebäude ist fertig, wir befinden uns in der Vorserie. Die eigentliche Montage der Akkus übernimmt dann ein Partnerunternehmen. Die Batterien setzen wir erstmals im elektrischen Cayenne ein, der in den kommenden Jahren in Bratislava produziert wird.
Auffallend ist, wie oft Porsche in den vergangenen Jahren von Teilemangel betroffen war.
Ich sehe hier keine Häufung. Wir hatten – wie viele anderen Unternehmen und Industrien auch – Probleme bei den Halbleitern. Da sind wir auch mit Unterstützung des Konzerns gut durchgekommen. Dann hatten wir den Ukraine-Krieg mit Auswirkungen auf die Produktion von Kabelbäumen. Auch hier haben wir schnell reagiert und die Fertigung innerhalb kürzester Zeit gedoppelt.
Gibt es weitere Gründe?
Und natürlich kann es auch mal passieren, dass wir von unserem eigenen Erfolg überrascht werden, etwa bei den GT-Modellen. Für unsere Lieferanten ist es in solchen Fällen nicht immer einfach, auf die höhere Nachfrage zu reagieren. Zumal wir ja immer noch über vergleichsweise geringe Stückzahlen sprechen und auch über sehr spezifische Werkzeuge, die nicht so einfach dupliziert werden können.
Blicken wir an den Stammsitz nach Zuffenhausen, sind die Anläufe dort einfacher?
Der Taycan befindet sich nach der umfangreichen Produktaufwertung in der Auslieferung. Auch hier hatten wir ein wenig zu kämpfen, weil ein wichtiger Zulieferer von Hardware insolvent gegangen ist. Wir haben die Hardwarekomponenten beim Antriebsstrang des neuen Taycan deutlich verändert, um eine noch höhere Ladeperformance und größere Reichweite zu erzielen. Aber die Produktion ist inzwischen hochgefahren, die Autos gehen raus.
Bei Elektro-Fahrzeugen sind die Entwicklungssprünge noch groß. Merken Sie die Lücke zwischen den beiden Generationen hier besonders?
Natürlich gibt es einen deutlichen Entwicklungssprung beim neuen Taycan. Aber den haben wir eigentlich bei allen Modellreihen, weil bei Porsche die Produktaufwertungen schon immer substanziell waren. Für uns in der Produktion ist das kein Problem, da gehen wir einfach mit. Aber es stimmt schon, dass bei den E-Autos aktuell eine besondere Dynamik in der technischen Entwicklung zu sehen ist.
Der neue 911 Hybrid ist sicher das geringste Problem, oder?
Die Integration in die Produktion hier in Zuffenhausen läuft planmäßig. Wir sind vom Erfolg des 911 GTS T-Hybrid absolut überzeugt. Die Testfahrten haben viel Freude bereitet. Die Fahrleistungen sind einfach top und wir gehen davon aus, dass der T-Hybrid der gesamten 911-Baureihe nochmals zusätzlichen Schub verleiht. Hier macht sich unser Technologie-Transfer aus dem Motorsport bezahlt. Mit dem 919 Hybrid haben wir drei Mal Le Mans gewinnen können. Jetzt kommt die Technik in die Serie. Das THEV-Antriebskonzept kommt bei den Kunden sehr gut an. Die Auftragseingänge belegen dies.
Wird die Produktion beeinflusst von der Elektrifizierung der 718-Baureihe, die Sie ja noch zusätzlich vorbereiten müssen?
Durch die Verlagerung der Auslaufproduktion nach Osnabrück haben wir vorübergehend die Arbeitsinhalte anders verteilt. Aber das ist kein Problem. Wir sind mit unserem vergleichsweise geringen Volumen sehr flexibel aufgestellt. Zudem folgt Autobauen immer demselben Muster: Zusammenstecken, in Betrieb nehmen, fertig machen für den Kunden über das Qualitäts- und Prüfzentrum.
Und wie lange laufen die Verbrenner von Boxster und Cayman dann in Osnabrück?
Die laufen bis Mitte 2025. Wie beim Macan haben wir die Produktion für Europa wegen der Cyber-Security-Richtlinien bereits beendet, für den Rest der Welt läuft sie noch weiter. In Zuffenhausen konzentrieren wir uns bereits auf den künftigen elektrischen 718.
Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie waren in Sachen Elektrifizierung zu mutig?
Nein. Wir setzen ja unverändert auf einen Dreiklang der Antriebe: vollelektrische Fahrzeuge, effiziente Plug-in Hybride und emotionale Verbrenner wie den 911, den aktuellen Cayenne und Panamera. Der 718 ist prädestiniert für den elektrischen Antrieb. Das wird ein richtiges Spaßauto. Ich bin ihn schon gefahren. Insgesamt haben wir eine klare Strategie und behalten dabei genügend Flexibilität, um die unterschiedlichen Präferenzen unserer Kundinnen und Kunden in den einzelnen Weltregionen bedienen zu können.
Wie steht es um das Siebensitzer-SUV K1, das in Leipzig neu hinzukommt?
Die Baufortschritte sind im Zeitplan, Leipzig ist gesetzt. Mehr kann ich dazu im Moment nicht zu sagen. Der K1 wird unsere Modellpalette nach oben abrunden.
Und was ist mit der geplanten Gigafabrik für Zellen, über die längst entschieden sein sollte?
Aktuell arbeiten wir mit unserer Tochter Cellforce an der Konzeption der High-Performance-Zelle, die uns einen Wettbewerbsvorteil bringen soll. Dann müssen wir den Prozess industrialisieren und technologisch sauber aufstellen – und das alles in Einklang mit den Strukturen von Porsche. Bei einer Gigafabrik reden wir über Investitionen im Milliardenbereich. Das muss gut überlegt und vorbereitet sein. Deshalb nehmen wir uns für diese Entscheidung auch die nötige Zeit.
Letzte Frage, wie sehr fürchten Sie eine Gegenreaktion Chinas in Sachen Zölle?
Wir haben uns in der Vergangenheit klar positioniert – auch mit Blick auf die Maßnahmen der EU: Wir stehen für freien Welthandel und Dialog. Der freie Warenverkehr muss weiterhin möglich sein. Und zu Ihrer Frage: Es sind im Moment noch Spekulationen und die möchte ich nicht im Detail kommentieren. Aber natürlich wünschen wir uns das nicht. Leider sehen wir im Moment an vielen Stellen Tendenzen zum Protektionismus. Wir halten das für den falschen Weg und ich hoffe darauf, dass sich die verschiedenen Parteien am Ende einigen und Handelsbarrieren abgebaut werden.
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