Stellantis: Das Rennen um die Tavares-Nachfolge ist eröffnet

Es gibt keine unantastbaren und unfehlbaren Anführer – diese Erkenntnis bestätigt das am Freitag angekündigte Ausscheiden von Stellantis-CEO Carlos Tavares wieder einmal. Spätestens im Frühjahr 2026 wird die Ära Tavares beendet sein – ein Manager, der mehr als nur Spuren hinterlässt.

Tavares hat mit seinem Ehrgeiz und seiner Energie einen neuen, globalen Konzern errichtet, der zu den profitabelsten Autobauern der Welt gehört. Nun geht das Gebilde Stellantis, 2021 als 14-Marken-Konzern gegründet, in die Post-Tavares-Ära, auch wenn er seinen Vertrag bis Anfang 2026 erfüllen soll. 

Denn die Veränderungen, die Stellantis für zahlreichen Top-Positionen in Europa, China und Nordamerika bekannt gab, lassen fast nur einen Schluss zu: Stellantis wird zu einem amerikanischeren Autokonzern. Aufsichtsratschef John Elkann und die großen Investmentfonds fordern unerbittlich in jedem Quartal Performance ein und das vor allem auf dem wichtigen US-Markt.

Selbst jahrelange Rekordergebnisse bei Absatz und Erträgen sind kein Garant für den anhaltenden Beifall derer, die wirklich das Sagen in einem börsennotierten Konzern haben: den Investoren.

Ein großes Fragezeichen tut sich allerdings am Timing der "Personalie" Tavares auf: Wie will Elkann verhindern, dass der CEO ab sofort als "lame duck" gilt, als angeschossener und schon abgeschriebener Vorstandschef?

Geplant ist die Stabübergabe erst im Frühjahr 2026. Das ist eine lange Zeit, in der die nun nach beförderten Top-Manager in der Gruppe genug Gelegenheiten haben werden, sich zu profilieren – auch im Konkurrenzkampf gegeneinander.

Für Tavares selbst stellt sich die Frage, ob er sich das alles antun will. Eine Gnadenfrist hat er nicht nötig. Gut denkbar, dass er das Zepter früher übergeben wird, spätestens wenn klar ist, wer ihm nachfolgen wird.

Der gebürtige Portugiese hat häufig zu erkennen gegeben, dass er noch eine Menge privater Interessen hat, sei es als Teilnehmer an Oldtimer-Rennen, sei es als Opa mit seinen Enkeln in Portugal.

Der neue starke Mann bei Stellantis ist ab jetzt Jean-Philippe Imparato, der bisherige Alfa-Romeo-CEO und Chef der Nutzfahrzeugsparte Stellantis Pro One. Imparato ist ein PSA-Urgestein, Meriten verdiente er sich unter anderem als Länderchef von Citroen in Italien, später als CEO von Peugeot weltweit.

Imparato übernimmt den Posten des "Chief Operating Officer Enlarged Europe" vom bisherigen Amtsinhaber Uwe Hochgeschurtz. Der verlässt das Unternehmen, womit er zu den größten Verlierern der Management-Neuordnung gehört.

Imparato betrachten viele als fähigen, bestens vernetzten Stellantis-Manager, der jedoch mit 58 Jahren nicht mehr zu den jüngsten Talenten gehört. Der Blick richtet sich deshalb auch auf Carlos Zarlenga, den bisherigen COO für Nordamerika.

Dessen Position wird nun von Antonio Filosa übernommen, der bisher an der Spitze der Marke Jeep in Nordamerika stand und auch weiter stehen wird. In der Mitteilung vom Freitag heißt es vieldeutig zu Zarlenga, dessen neue Position werde zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.

Ob zwischen den Aufsteigern des heutigen Tages ein Ringen um die Top-Position entbrennt, hängt nun stark davon ab, wie der scheidende Tavares seine letzte Zeit bei Stellantis definiert. Wer ihn kennt weiß, dass er akribisch plant, stets die Zahlen sprechen lässt und an knallharten Performance-Indizes die Leistung beurteilt.

Kaum zu erwarten ist daher, dass Tavares die Lust auf eigene Leistung in den letzten Monaten seiner Führung verlieren wird. Er wird versuchen, ein gut bestelltes Haus zu übergeben. Die gravierenden Probleme in Nordamerika will er noch lösen, bevor er abtritt, das hat er bereits angekündigt.

Dieser Niedergang in Nordamerika, der ihn nun eine Vertragsverlängerung kostet, sitzt gewiss wie ein Stachel im Performance-Meister. Die einstigen Ertragsperlen Jeep und Ram erlitten in der Region derbe Verkaufs- und Margenrückschläge. Viel zu hohe Lagerbestände und hohe Rabatte in den USA verhagelten diesen Marken die Bilanzen.

Erst in der vergangenen Woche musste Stellantis seinen Gewinnausblick nach unten korrigieren und - mindestens so schlimm für die Investoren - auch den Dividenden-Ausblick zurücknehmen. Analysten hatten daraufhin die Stellantis-Aktie zurückgestuft, die damit seit Jahresbeginn 42 Prozent ihres Wertes verloren hat. 

Ob die Wechsel im Management bei den Investoren gut ankommen, bleibt abzuwarten. Erste Reaktionen vom Freitag deuten darauf hin, dass die Anleger einen Teil ihres Vertrauens in Stellantis verloren haben und zunächst einmal abwarten, ob das neue Team tatsächlich bessere Zahlen abliefert.