BMWs Bremsenproblem ist weiterer Nackenschlag für Conti

BMW muss mehr als eine Million Autos zurückrufen, weitere können nicht ausgeliefert werden. Grund sind Probleme mit dem Integrierten Bremssystem (IBS) – einem Bauteil von Continental. Insgesamt sind 1,5 Millionen Autos betroffen. BMW will nun mit speziellen Trainings das Qualitätsbewusstsein seiner Zulieferer schärfen.

Für Continental kommt die Nachricht zur Unzeit. Die Autozulieferer-Ssparte schwächelt seit Jahren, Conti will sie deshalb abspalten und an die Börse bringen. Für potenzielle Investoren ist das Bremsen-Desaster keine Werbung.

Der Fahrzeughersteller geht von Kosten in mindestens dreistelliger Millionenhöhe aus. Allein die Rückruf- und Gewährleistungskosten für rund 1,2 Millionen ausgelieferte Fahrzeuge sollen sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag summieren. Noch ist nicht bekannt, ob das Unternehmen Schadensersatzansprüche an Continental stellt.

Conti hatte indes verlauten lassen, den Schaden für überschaubar zu halten. „Auf Basis der bereits getauschten Systeme sowie unserem aktuellen Erkenntnisstand gehen wir derzeit weiterhin davon aus, dass nur ein geringer Anteil der ausgelieferten Bremssysteme tatsächlich getauscht werden muss“, erklärte der Konzern.

Der Zulieferer hat dafür Rückstellungen im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich gebildet. Das Unternehmen rechnet damit, „dass dies für den Gewährleistungsfall ausreichen wird“. Als das Problem im März zum ersten Mal bekannt wurde, war noch von rund 370.000 betroffenen Fahrzeugen die Rede, weshalb die geschätzten Kosten damals niedriger lagen.

Diesen Optimismus teilt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, nicht. Er geht im Gespräch mit der Automobilwoche davon aus, dass die Forderung des Fahrzeugherstellers über den von Conti genannten Betrag hinausgehen könnte.

Laut einem Bericht amerikanischer Behörden soll der Fehler bei einem von 100 ausgelieferten Conti-Systemen auftreten. Abgesehen davon hat Conti, einer der größten Autozulieferer der Welt, mit einer Reihe weiterer Probleme zu kämpfen:

Zunächst leidet Conti unter den gleichen Problemen wie die anderen Zulieferer. Hohe Investitionen in neue Technologien wie die E-Mobilität treffen auf eine sinkende Nachfrage, was den Umsatz schmälert. Dieser lag im zweiten Quartal bei zehn Milliarden Euro, das waren 4,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Obwohl der Gewinn in den drei Geschäftsfeldern Reifen, Automotive und Conti Tech (Kautschuk- und Kunststoffprodukte für die Industrie) gestiegen ist, blickt das Management um Konzernchef Nikolai Setzer pessimistisch auf das Gesamtjahr und hat die Umsatzprognose für die drei Bereiche gesenkt: Für die Automotive-Sparte erwartet das Unternehmen jetzt noch 19,5 bis 21 Milliarden Euro, für die Reifensparte 13,5 bis 14,5 und für Conti Tech zwischen 6,6 und 7 Milliarden Euro.

Conti verfügt allein in Deutschland über 50 oft kleine Standorte. Jeder davon hat im Laufe der Jahre eigene Prozesse entwickelt, viele sind im Rahmen von Übernahmen zum Konzern gestoßen. Das erschwert eine Standardisierung und verhindert Skaleneffekte, was wiederum die Kosten in die Höhe treibt.

Die Werke in Karben, Wetzlar und Schwalbach sollen bis Ende 2025 schließen. Ob es dabei bleibt, ist fraglich, denn es bleiben immer noch 47 übrig. Experten halten weitere Schließungen für denkbar, wenn sich die Lage auf dem Automarkt nicht bald bessert.

Die seit Langem schwächelnde Automotive-Sparte will Conti bis Ende 2025 abspalten und an die Börse bringen, wie das Unternehmen Anfang August bekannt gegeben hat.
 
Zuvor gibt es noch ein Sparprogramm, um die Aktien für Anleger attraktiv zu machen. Ab 2025 sollen jährlich 400 Millionen Euro eingespart werden. Dazu will Conti in der Sparte unter anderem weltweit 7150 Arbeitsplätze abbauen, mehr als 2800 sind bereits entfallen. Durch das Sparprogramm soll die Marge steigen, die im zweiten Quartal nur 2,7 Prozent betrug.
 
Setzer zeigte sich optimistisch für das zweite Halbjahr. Preisverhandlungen mit den Autobauern sollen für mehr Profitabilität sorgen, zudem gibt es eine gute Auftragslage. Das Automotive-Geschäft könne Partnerschaften eingehen und fokussierter arbeiten als bisher, sagte Setzer. Doch bis es so weit ist, wird die Sparte noch Ressourcen bei Continental binden.