Audi bringt TikTok und Karaoke ins Auto

Erfolgsmeldungen von Cariad gab es zuletzt eher selten. Doch jetzt meldet die VW-Softwaretochter tatsächlich Vollzug. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona präsentierte Cariad-Chef Dirk Hilgenberg seinen eigenen App-Store, der im Auto direkten Zugang zu Anwendungen Dritter geben soll. Darunter finden sich auch einige, die man im Auto eher nicht erwarten würde. Ab Juli soll der App-Store zum Einsatz kommen, zunächst bei Audi.

„Das ist für uns der erste Meilenstein in diesem Jahr“, sagte Hilgenberg bei der Präsentation des App-Stores. Und fügte hinzu: „2023 wird für uns das Jahr des Lieferns.“ Denn, so die klare Ansage, im Herbst soll auch die seit zwei Jahren überfällige Software 1.2 für Audi und Porsche fertig werden, damit Elektro-Macan und Q6 e-tron endlich in Serie gehen können. Und der nun vorgestellte App-Store ist quasi die erste Auskoppelung daraus.

Noch ist das Angebot übersichtlich: „Wir starten mit rund 40 Apps“, sagt Hilgenberg. Verglichen mit den 2,7 Millionen Apps in Googles Play Store und den mehr als 1,7 Millionen bei Apple eine eher überschaubare Zahl. Doch Hilgenberg zeigte sich zuversichtlich, dass das Angebot schnell wachsen wird. „Die Liste wächst kontinuierlich und wir sind mit vielen spannenden Anbietern im Gespräch.“

Unter den ersten Apps befinden sich bereits einige, die man im Auto nicht sofort erwarten würde. Die Video-Community TikTok zum Beispiel oder die Karaoke-App von Stingray. Daneben gibt es mehrere Musik-Streaming-Angebote von Amazon Music bis Spotify, Wetter-Apps und auch die Mediatheken von ARD und ZDF. Auch zwei Routenplaner sind dabei, die dann zusätzlich zum bordeigenen TomTom-Navi genutzt werden können.

Wozu man TikTok, Karakoke und Videostreaming im Auto braucht? Vorerst dürfte das wohl eher etwas für die Beifahrer sein. Doch die Cariad-Macher sind überzeugt: Spätestens mit dem Einzug des autonomen Fahrens, wenn der Fahrer selbst nicht mehr fahren muss, werden solche Anwendungen auch im Auto unverzichtbar. „Mit dem künftigen automatisierten Fahren auf Level 4 wird das noch wichtiger“, sagte Hilgenberg. Und auch die Anforderungen an die Datensicherheit steigen, sobald das Auto selbst das Steuer übernimmt.

Angebote direkt von Google oder Apple sucht man im Cariad Store aber vergebens. Grund: Die VW-Tochter setzt sich mit dem eigenen App-Store bewusst von den beiden Platzhirschen ab. Dafür hat man sich mit der Samsung-Tochter Harman zusammengetan und nutzt deren Ignite Store. Darüber lassen sich Android-Apps ohne große Anpassungen in das Linux-basierte Betriebssystem des OEMs integrieren. Sie laufen dann ohne Umweg übers Handy direkt im Auto. Allerdings nicht 1:1. Die Einbindung läuft über das Android Open Source Project (AOSP), die Apps müssen jeweils einzeln freigeben werden.

"Wir entwickeln einen eigenen Application Store, um unsere Kunden im Volkswagen-Ecosystem zu behalten", erklärt Cariad. Getreu dem einst von Ex-Konzernchef Herbert Diess vorgegeben Linie, dass man die Daten nicht den Software-Riesen aus Übersee überlassen dürfe. Schließlich seien sie die Basis für die Geschäftsmodelle der Zukunft. Die harte Linie, alles selbst zu entwickeln, hat Diess‘ Nachfolger Oliver Blume zwar deutlich aufgeweicht. Beim Thema Daten hält Cariad aber nun weiter daran fest. Statt wie Volvo oder Renault einfach Google Automotive Services zu übernehmen und dessen prall gefüllten Play Store zurückzugreifen, setzt Cariad auf sein eigenes Betriebssystem mit eigenem AppStore.

Damit eine App aufgenommen wird, muss sie erst einzeln zertifiziert werden. Datensicherheit sei dabei ein wichtiges Thema in den Verhandlungen mit den App-Entwicklern, sagte Hilgenberg. "Der wichtigste Punkt: Der Zugriff auf die Daten. Wir erlauben keinen Schreibzugriff, nur Lesezugriff. Und auch den begrenzen wir auf das Notwendige. Die Apps erhalten auf keinen Fall Zugriff auf die Fahrzeugdaten." So wolle man ein Abschöpfen der Daten verhindern.

Gedacht war der App-Store eigentlich für die Software 1.2, die Cariad nun Premium-Software nennt. Jetzt wird er bereits vorab ausgekoppelt. Ab Juli soll er bei mehreren Audi-Modellen zum Einsatz kommen, die noch auf der alten Software laufen: alle A-Modelle von A4 aufwärts, Q6, Q8 e-tron und e-tron GT. Allerdings nur bei neuen Fahrzeugen. Denn für die Integration in das bestehende MIB 3 von Audi ist zusätzliches Bauteil nötig: ein Modul in der Größe eines USB-Sticks, das dann den Zugriff auf Fremdinhalte ermöglicht. Dieses jetzt in Altfahrzeugen nachzurüsten, wäre schlicht zu aufwendig.

Andere Konzernmarken sollen folgen. Wann es so weit ist, lässt Cariad aber noch offen. Sicher ist nur: Bei Porsche wird der Store beim Elektro-Macan Einzug halten, der im Herbst anlaufen soll und dann bereits die neue Software 1.2 nutzt. Das gleiche gilt dann für das Audi-Schwestermodell Q6 e-tron und den A6 e-tron, der 2024 folgen soll.

Porsche könnte aber schon bald noch einen Schritt weiter gehen – und Google Automotive Services integrieren. Hilgenberg bestätigte, dass hierzu gerade Gespräche laufen. Dabei gehe es aber nur um Porsche, nicht um den gesamten VW-Konzern.

Hilgenberg selbst zeigte sich jedoch offen, auch Google-Anwendungen in den eigenen Store aufzunehmen. "Wenn Google sich nun öffnet und Software Development Kits für Apps wie Google Maps auch außerhalb der Google Automotive Services anbietet, begrüßen wir das. Das erweitert das Service-Angebot für Kunden."

Aus dem Datencenter:

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