Carsharing im Aufwind

Die Carsharing-Branche hat ein gutes Jahr hinter sich. Insgesamt 4.472.800 angemeldete Fahrberechtigte verzeichnete die Branche 2022. Das entspricht einem Plus von 31,8 Prozent zum Vorjahr. Die Zahl der Fahrzeuge legte im selben Zeitraum um 12,4 Prozent auf 33.930 zu. Das geht aus der neuesten Carsharing-Statistik des Bundesverbands Carsharing hervor. Wäre die Branche nicht "durch externe Faktoren gebremst" worden, wäre auch noch deutlich mehr möglich gewesen, betonte Verbandsgeschäftsführer Gunnar Nehrke bei der Präsentation der Zahlen.

Als Hemmschuh hätten sich unter anderem die Lieferengpässe in der Autobranche oder fehlende Stellplätze in den Städten erwiesen. Hinzu kamen die steigenden Strom- und Spritpreise: "Wir hatten bei fast allen Carsharing-Anbietern spätestens in der zweiten Jahreshälfte Preiserhöhungen", so Nehrke ohne genaue Zahlen zu nennen.

Besonders stark fiel das Wachstum bei den bundesweit vier stationsungebundenem Free-Floating Carsharing-Anbietern aus. Hier legte die Zahl der angemeldeten Nutzer um 36,9 Prozent auf 3.565.220 und die Zahl der Autos um 16,8 Prozent auf 18.570 zu. Free-Floating ist vor allem in Metropolen zu finden, derzeit in 34. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass in der Statistik Doppelanmeldungen gezählt werden. Diese entstehen, wenn sich Kunden in einer Stadt gleich bei mehreren unterschiedlichen Anbietern registrieren.

Für die Verbreitung in der Fläche sorgen viele kleine stationsgebundene Angebote: Sie sind in 1.078 der insgesamt 1.082 Kommunen (plus 15,7 Prozent) mit einem Carsharing-Angebot vertreten.

Mit ihrem Angebot sehen sich die 249 Carsharing-Anbieter als Vorreiter beim Umweltschutz. "Das starke Wachstum der Carsharing-Branche ist eine gute Nachricht für die Verkehrswende und den Klimaschutz in Deutschland", so Nehrke. Carsharing-Kunden seien oft mit dem Rad und dem ÖPNV unterwegs und würden Autos nur zu ausgewählten Anlässen nutzen. Laut einer "vorsichtigen Schätzung" des Verbands hätten die knapp 34.000 Fahrzeuge zur dauerhaften Abschaffung von 143.000 privaten Pkw geführt. Weiter habe man 109.000 Parkplätze bzw. 1,14 Millionen Quadratmeter öffentliche Straßenfläche von parkenden Autos befreit.

Deutliche Kritik übte der Verband an der E-Mobilitätsförderung der Bundesregierung. Ab 1. September entfällt der Umweltbonus für gewerblich genutzte E-Autos. Das macht sie für Carsharing-Betreiber teurer in der Anschaffung. Weiter stört sich der Verband an der "einseitigen" Förderung von Ladeinfrastruktur für private Pkw. "Wir brauchen eine besondere eigene Ladeinfrastruktur für Carsharing", so Nehrke. Hier sei die Bundesregierung in der Pflicht, eine entsprechende Förderung auf den Weg zu bringen. Das Laden von Free-Floating-Autos an öffentlichen Ladesäulen sei angesichts des allgemeinen Hochlaufs der E-Mobilität keine Option mehr. Schon jetzt stagniere deshalb die Zahl der E-Autos in den Flotten. Relativ zur Gesamtzahl der Sharing-Autos sank ihr Anteil 2022 sogar von 23,3 auf 20,05 Prozent.

Größter Anbieter auf dem Markt ist seit diesem Jahr der Berliner Anbieter Miles, der den langjährigen und mittlerweile zum Stellantis-Konzern gehörenden Platzhirsch Share Now auf Platz zwei verwies.

Das Wachstum der Branche könnte in den kommenden Jahren noch weitergehen. In Deutschland gebe es etwa 8,4 Millionen Haushalte mit nur einem Pkw die weniger als 10.000 Kilometer pro Jahr fahren, so Nehrke. "Das ist ein riesiges Potential, das wir heben wollen", so Nehrke. Dass der Optimismus nicht unberechtigt ist, zeigt eine aktuelle Studie des Softwareunternehmens Capterra zum Thema Shared Mobility, für die rund 1000 Menschen befragt wurden. In dieser erklärten 79 Prozent der Befragten, dass sie Shared Mobility Dienste nutzen, wenn diese in ihrer Gegend verfügbar sind.

Als wichtigste Vorteile wurden dabei Nachhaltigkeit und Kostenersparnis genannt. Shared Mobility ist ein Sammelbegriff für eine Reihe von Dienstleistungen, darunter Carsharing, Bike- und E-Scooter-Sharing oder Mitfahrgelegenheiten (Ridesharing). Die Umfrage offenbarte jedoch auch: 48 Prozent wollen das eigene Auto nicht ersetzen.