Der Online-Gebrauchtwagenriese Auto1 ist angesichts hoher Preise und sinkender Nachfrage auf dem Gebrauchtwagenmarkt unter Druck. Im dritten Quartal fiel der Absatz merklich hinter das Vorquartal. 655.000 Autos will das Unternehmen bis Jahresende verkaufen – das ist die Untergrenze des Zielkorridors, dessen oberes Ende Auto1 im August von 770.000 auf 725.000 gesenkt hatte. Die Verluste stiegen nach neun Monaten auf 129,6 Millionen Euro (Vorjahr: 107,1). Denis Belan, Chef der B2B-Sparte Auto1.com sieht das Unternehmen im Interview mit der Automobilwoche trotz der Dämpfer auf einem guten Kurs.
Herr Belan, Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession. Zeichnet sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt bereits eine Krise ab?
Der Markt ist sehr volatil und angespannt. Die Besitzumschreibungen sind in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen. Der Neuwagenmarkt ist zuletzt zwar gestiegen, liegt im Vergleich zum Vorjahr aber nach wie vor im Minus. Weil beide Märkte unmittelbar miteinander zusammenhängen, bleiben Gebrauchtwagen ein knappes Gut. Wir sind noch weit von den 2019er Zahlen entfernt. Wir dürfen uns zudem von den steigenden Neuzulassungen nicht in die Irre führen lassen. Denn diese werden vermutlich bald wieder sinken. Woran liegt das? Weil die Branche gerade die Auftragsbestände der vergangenen ein bis eineinhalb Jahren abarbeitet. Die Produktion der Hersteller läuft wieder an. Einige Hersteller berichten bereits seit einigen Monaten von rückläufigen Bestellungen. Die Bestellbücher füllen sich langsamer. Der aktuelle Anstieg kann durchaus in den nächsten zwei bis drei Monaten noch so weitergehen. Danach kann er abflachen und sich auf einem Niveau einpendeln, das wir aus den ersten beiden Quartalen dieses Jahres kennen. Für den Gebrauchtwagenmarkt heißt das, dass es ein kleines Zeitfenster mit enormen Chancen gibt. Der Markt kann sich für kurze Zeit mit Inzahlungnahmen füllen, wenn die Menschen ihre vor Monaten bestellten Autos erhalten und ihr altes Auto verkaufen wollen. Danach kann sich der Markt wieder auf einem Knappheitsniveau einpendeln.
Wenn die Menschen wegen der Krise weniger Neuwagen kaufen, müsste das doch bei Gebrauchtwagen ähnlich sein…
Ich glaube nicht, dass der Gebrauchtwagenmarkt noch weiter zurückgeht. Der Markt ist vornehmlich eingebrochen, weil es Lieferengpässe bei Neuwagen gab und deswegen keine neuen Gebrauchtwagen generiert wurden. Jetzt kommen wir nahtlos von einem Nachschub- zu einem Nachfrageproblem: Neuwagen werden zwar wieder schneller ausgeliefert, aber die Nachfrage fehlt. Beide Effekte sind in ihrer Wirkung für den Gebrauchtwagenmarkt etwa gleich stark, weshalb die Besitzumschreibungen konstant bleiben werden.
Aber auf das Preisniveau könnte das durchaus Auswirkungen haben. Vorher war die Nachfrage hoch und das Angebot gering. Jetzt ist das Angebot weiterhin niedrig, aber zusätzlich sinkt auch die Nachfrage.
Das ist ein valider Ausblick. Es ist anzunehmen, dass die Gebrauchtwagenpreise in den nächsten drei bis fünf Monaten fallen werden. Wir würden uns wünschen, wenn der Markt wieder zur Normalität zurückkehrt. Das würde mehr Autos am Markt bedeuten und dass sich die Gebrauchtwagenpreise in einer kontrollierten Weise nach unten entwickeln, damit sich wieder mehr Menschen gebrauchte Autos leisten können.