Händler machen Opel schwere Vorwürfe

Opel leidet in Deutschland unter akuter Absatzschwäche. Minus 12,7 Prozent stehen im ersten Quartal zu Buche. Um die Krise zu überwinden, soll Opel zu dubiosen Mitteln gegriffen haben. Den Vorwurf schwerer Rechtsverstöße erhebt der Händlerverband VDOH in einem internen Rundschreiben, das der Automobilwoche vorliegt. Man reagiere damit auf "zahlreiche Beschwerden" der Mitglieder, schreibt VDOH-Geschäftsführer und Anwalt Uwe Heymann darin. Opel selbst bestreitet alle Vorwürfe.

Zwei Punkte kritisiert der VDOH: Händler seien kurz vor Quartalsende schriftlich und mündlich aufgefordert worden, "alle verfügbaren Fahrzeuge" zuzulassen – sowohl Lagerwagen als auch von Kunden bestellte und noch nicht ausgelieferte Fahrzeuge. Dafür seien neue Zielzahlen ausgegeben und kommuniziert worden, dass bei Nichterfüllung das ganze Quartalsziel als nicht erreicht zähle. Auch sei manchem gedroht worden, dass bei Nichtbefolgung der Letter of Intent (LoI) für den Händlervertrag gefährdet sei.

Der zweite Vorwurf: Der Opel-Eigner Stellantis habe veranlasst, Autos zwangsweise auf die PSA Bank zuzulassen. Selbst dann, "wenn Händler die Zustimmung für eine solche Zulassungsaktion ausdrücklich abgelehnt hatten". Eine „Zwangszulassung“ ist theoretisch möglich, wenn Händler die bestellten Fahrzeuge bei der PSA-Bank zwischenfinanzieren. Die Bank behält in diesen Fällen den Fahrzeugbrief, bis der Kunde seinerseits dem Händler den Kaufpreis bezahlt hat und der Händler die Zwischenfinanzierung ablöst. Mit dem Kfz-Brief wäre eine Tageszulassung auf die Bank möglich.

Der Automobilwoche liegen aus dem Handel entsprechende Kopien von Mails, Rechnungen und Zulassungsbescheinigungen vor, die die Vorwürfe des VDOH zu den Zwangszulassungen stützen sollen.

Die einseitige Aufhebung der Ziele, so der VDOH, sei ein "Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz der immanenten Verpflichtung aus dem Händlervertrag zur Treue- und Rücksichtnahmepflicht". Die Drohung, Boni zu streichen oder den Letter of Intent zu entziehen, stelle zudem "einen strafrechtlich relevanten Versuch und im Einzelfall auch eine vollendete Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch) durch alle daran Beteiligten dar."

Die Zwangszulassung über die PSA Bank zwischenfinanzierter Fahrzeuge wiederum stelle "eine deliktische vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) dar sowie einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Händlerschaft (§ 823 I BGB)".

Eine der praktischen Folgen laut VDOH: Freie Leasinggesellschaften würden sich weigern, dem Händler Fahrzeuge abzunehmen, die bereits auf die PSA-Bank zugelassen wurden. Daraus ergäben sich "Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche" der betroffenen Händler. Auch für Privatkunden wäre die Situation ärgerlich, sofern die Vorwürfe des VDOH zutreffen: Sie hatten einen Neuwagen bestellt und bezahlt, bekommen dann aber durch die Tageszulassung einen Gebrauchtwagen.

Zu einer ähnlichen Bewertung wie der Händlerverband kommt Handelsrechtsexperte Christian Genzow, der das Schreiben für die Automobilwoche analysiert hat. Die Androhung eines "empfindlichen Übels" sei geeignet, Händler zu nachteiligem Handeln für sich und Kunden zu veranlassen, so Genzow. "Befolgt ein Händler die 'Anweisung', handelt es sich strafrechtlich um eine vollendete Nötigung."

Zum zweiten Vorwurf sagt Genzow, es handle sich um Untreue gemäß § 266 StGB, da Stellantis und PSA Bank die Befugnis missbrauchen würden, über fremdes Vermögen (Fahrzeug des Händlers) zu verfügen. Hinzu komme versuchter Betrug gemäß § 263 StGB, wenn Stellantis ein Fahrzeug mit Tageszulassung liefere, das als neu bezeichnet und abgerechnet werde, durch die Tageszulassung tatsächlich aber nicht mehr neu sei. Genzow: "Die Zulassung von Händlerfahrzeugen mit Tageszulassung durch die PSA Bank ist sicherlich nicht nur einmalig, sondern ein geradezu unerhörter Vorgang, wenn derartige Zulassungen ohne vorherige ausdrücklich Zustimmung des Händlers erfolgen."

Das gilt jedoch nur unter der Prämisse, dass sich der Fall wie vom VDOH geschildert zugetragen hat. Dies bestreitet Opel nachdrücklich. "Wir weisen alle Vorwürfe eines rechtswidrigen Verhaltens zurück. Es gibt seitens unseres Hauses keine einseitige Änderung von Quartalszielen; wir verurteilen prinzipiell jede Art von Drohungen", erklärte ein Sprecher.

Das Verhalten des VDOH selbst wirft durchaus Fragen auf. Obwohl die Vorwürfe gravierend sind, will er vorerst nicht dagegen vorgehen. Auf Nachfrage erklärt Heymann: "Insgesamt gehen wir davon aus, dass nach der entsprechenden Abmahnung sich derartige Vorgänge nicht wiederholen." Nur im Wiederholungsfalle rate er dem VDOH-Vorstand und den Mitgliedern zu juristischen Schritten, heißt es abschließend im Rundschreiben.