Mercedes paktiert mit Google

Mercedes-Benz hat ein neues Betriebssystem vorgestellt, das die Grundlage für die nächste Generation von Fahrzeugen des Premiumherstellers bilden wird. MB.OS (Mercedes-Benz Operating System) kombiniert interne Softwareentwicklung mit Technologiekooperationen, um vier Schlüsselbereiche zu verbessern: Infotainment, automatisiertes Fahren, Karosserie und Komfort sowie Antriebssysteme.

"Wir sind die Architekten des Systems", sagte Markus Schaefer, Chief Technology Officer von Mercedes-Benz. Mercedes-Benz CEO Ola Kallenius beschrieb MB.OS als "zweckgebunden, aber offen für Partnerschaften". Das neue Betriebssystem wird Mitte des Jahrzehnts auf der neuen Mercedes Modular Architecture Plattform eingeführt, die die Grundlage für zukünftige Elektroautos der Kompakt- und Mittelklasse bildet. Die nächste A-Klasse wird voraussichtlich das erste Fahrzeug sein, das mit dem System ausgestattet ist.

Philipp Skogstad, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Mercedes-Benz Nordamerika, beschrieb MB.OS als ein "Ökosystem" von Technologien und Partnerschaften, das darauf ausgelegt ist, Fahrzeuge durch die Bereitstellung immer neuer Funktionen zukunftssicher zu machen. "Das ist es, was die Kunden heutzutage erwarten", sagte Skogstad am Rande der Veranstaltung gegenüber unserer Schwesterzeitung Automotive News.

Mit seiner neuen Plattform hofft Mercedes, sich einen Vorsprung gegenüber anderen Autohersteller zu schaffen und das Vordringen von Big Tech in das Automobilsystem zu verzögern. Das Google-Betriebssystem Android Automotive setzt sich bei Autoherstellern wie Volvo immer mehr durch. Währenddessen strebt Apple danach, die Kontrolle über alle Bildschirme in einem Auto zu übernehmen, die Benutzeroberflächen und die Steuerung der Autohersteller zu ersetzen und Zugang zu zusätzlichen Fahrzeug- und Fahrerdaten zu erhalten.

Automobilhersteller und -zulieferer entwickeln seit einem halben Jahrhundert Software, doch handelte es sich dabei in erster Linie um Anwendungen für bestimmte elektronische Steuergeräte mit begrenzter Interaktion zwischen diesen Steuergeräten. Mit dem Übergang zu den elektrischen Architekturen der nächsten Generation müssen jedoch mehrere Komponenten zusammengeführt werden, so Sam Abuelsamid, Principal Analyst bei Guidehouse Insights.

"Die Koordinierung all dieser Komponenten, die Verwaltung und Validierung von Updates und die Beschleunigung des Update-Prozesses erfordern neue Tools und andere Fähigkeiten als die, die bisher verwendet wurden", so Abuelsamid.

Bei Mercedes' Ansatz, ein Fahrzeugbetriebssystem von Grund auf zu entwickeln, geht es um Flexibilität, sagte Michael Hafner, ein Mercedes-Vizepräsident, der die Entwicklung von MB.OS leitet. "Wir müssen die gesamte Kette beherrschen", sagte Hafner gegenüber Automotive News. "Wir gewinnen an Geschwindigkeit bei der Bereitstellung neuer Funktionen und wir gewinnen an Inhalten." Das neue Betriebssystem basiert nach Angaben von Mercedes auf selbst entwickelter Hardware und Software, die auf Dienste und Inhalte von Technologieanbietern zugreift.

So wird Mercedes beispielsweise ein markengeschütztes Navigationssystem entwickeln, das auf fahrzeuginternen Daten und Navigationsfunktionen der Google Maps-Plattform basiert. Das MB.OS-Navigationssystem wird die Echtzeit- und Vorhersage-Verkehrsinformationen und die automatische Umleitungstechnologie von Google mit Fahrzeugdaten wie Ladezustand und Energieverbrauch kombinieren, um ein präziseres Reichweitenmanagement für Elektrofahrzeuge zu ermöglichen. In der Zwischenzeit arbeitet Mercedes zusammen mit NVIDIA und Luminar an der Entwicklung eines automatisierten Fahrassistenzsystems der Stufe 3, das derzeit in Nevada zugelassen ist.

Das Drive-Pilot-System ermöglicht es dem Auto, unter bestimmten Bedingungen die Kontrolle über die Fahrfunktionen zu übernehmen, so dass der Fahrer sich anderen Dingen widmen kann, beispielsweise dem Beantworten von E-Mails. Kallenius beschrieb den Ansatz der Partnerschaft mit einer Metapher aus dem Hausbau. "Wenn Sie Architekt sind, müssen Sie nicht jede Fliese selbst verlegen oder jeden einzelnen Balken aufstellen", sagte er. "Deshalb haben wir eine Reihe von Partnern sorgfältig ausgewählt."

MB.OS wird die Möglichkeiten für weitere Over-the-Air-Software-Updates erweitern, um den Mercedes-Kunden neue Funktionen zu bieten und dem Automobilhersteller zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Das Betriebssystem wird in der Lage sein, auf Apps von Drittanbietern zuzugreifen, ähnlich wie dies bei den mobilen Plattformen Apple iOS und Google Android der Fall ist.

Im Jahr 2022 erzielte Mercedes-Benz mit Produkten und Diensten wie Navigation und Online-Karten-Updates einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro. Das Unternehmen erwartet, dass der Gesamtumsatz mit Software bis zum Ende des Jahrzehnts auf einen "hohen einstelligen Milliardenbetrag" ansteigen wird.

Aus dem Datencenter:

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