Mittelstand in der Energiepreis-Falle

Die explodierenden Kosten für Gas und Strom bringen nicht nur die Industrie, sondern auch kleinere und mittelständische Unternehmen in existentielle Nöte.

"Zahlreiche Betriebe, besonders aus den energieintensiven Bereichen wie den Lebensmittelhandwerken, Textilreinigungen, Brauereien, Galvaniseure, aber auch Kfz-Werkstätten richten an uns inzwischen Hilferufe, dass sie die in dieser Form noch nie erlebten Mehrbelastungen allein nicht werden stemmen können", berichtet Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Die Betriebe befürchteten, ohne Unterstützung ihre Existenz und vielfach ihr Lebenswerk aufgeben zu müssen, so Wollseifer weiter.

Von Anfang Juli 2021 bis Juli 2022 stieg der Großhandelspreis pro Megawattstunde Strom von rund 81 Euro auf 315 Euro. Beim Gaspreis sieht es ähnlich aus. Der Referenzpreis für Erdgas an der europäischen Energiebörse EEX stieg von rund 81 Euro pro Megawattstunde im Dezember 2021 auf zuletzt rund 171 Euro. Dass sich die Situation entspannt, damit rechnen die wenigsten. "Die Energiepreise werden auch im Jahr 2023 ein Kostentreiber bleiben", prognostiziert der ZDH.

Wie sehr diese Anstiege Unternehmen konkret belasten, zeigt das Beispiel des Autohauses Kölbl mit zwei benachbarten Standorten in Unterschleißheim bei München. Laut einem aktuellen Angebot eines Versorgers, das der Automobilwoche vorliegt, soll der Händler für seine Standorte ab kommendem Jahr 29,45 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Gas sowie für seinen Seat-Standort 86,943 Cent pro kWh Strom (jeweils zzgl. Entgelten und Steuern) bezahlen. Aktuell liegt der Tarif bei 1,8 Cent beim Gas und 7,6 Cent für Strom.

Für Geschäftsführer Klaus Philipp würde das bei einem gleichbleibenden Gas- und Stromverbrauch von rund 917.000 kWh Gas und 100.000 kWh Strom jährliche Mehrkosten von rund 330.000 Euro bedeuten. "Wie sollen wir das bewerkstelligen?", fragt er. Ohne eine 200 kW-Photovoltaikanlage und den noch laufenden Stromvertrag seines VW- und Audi-Standorts wären die Kosten sogar noch deutlich höher ausgefallen. Wie schnell die Preise derzeit steigen, macht ein Detail des Angebots deutlich: Dieses war nur eine Stunde gültig.

Ohne Hilfe, befürchtet Philipp, werden bei vielen Unternehmen bald die Lichter ausgehen. Schon jetzt hat er in seinen Betrieben die Warmwasserboiler stillgelegt und durch vereinzelte Durchlauferhitzer ersetzt. Die nächsten Schritte seien, Ausstellungsräume zu schließen und die Werkstattannahme nur noch in einem Betrieb durchzuführen. Perspektivisch könnte ein Betrieb sogar ganz geschlossen werden, sagt er.

Auch der ZDK ist alarmiert. "Manche Betriebe berichten für das kommende Jahr von Mehrkosten in Höhe von 70 Prozent. Das wird etliche an den Rand der Existenz bringen. Die Energiepreise sind für uns schlimmer als Corona", sagt Bundesinnungsmeister Detlef Peter Grün. Die Betriebe könnten die Kosten schließlich nicht einfach auf die Kunden abwälzen, betont ZDK-Chef Jürgen Karpinski. "Insofern zehren diese enormen Kostensteigerungen die im Kfz-Gewerbe ohnehin schmalen Margen komplett auf", sagt er.

ZDK und ZDH fordern daher rasche finanzielle Entlastung für die Betriebe. "Dort, wo eine Kostenüberwälzung nicht möglich ist, benötigen die stark von den Energiekostensteigerungen betroffenen Betriebe insbesondere eine direkte finanzielle Unterstützung, um entlastet zu werden", heißt es vom ZDH. Bei weiteren staatlichen Entlastungsprogrammen für Unternehmen dürften die Handwerksbetriebe nicht erneut weitgehend von der Förderung ausgeschlossen bleiben, wie es aktuell etwa beim Energiekostendämpfungsprogramm der Fall sei.

Aus dem Datencenter:

Zulieferer-Insolvenzen im ersten Halbjahr 2022