Scherer kauft Ernst Gruppe

Im deutschen Handel gibt es eine neue Groß-Transaktion: Der Handelsriese Scherer greift bei der Mannheimer Ernst Gruppe zu. Die Autohausgruppe aus Simmern übernimmt die fünf Standorte in Mannheim und Heidelberg im Zuge eines Asset Deals. Die Scherer Gruppe äußerte sich auf Anfrage der Automobilwoche zunächst nicht.

Damit schlüpft ein weiterer Familienbetrieb unter das Dach einer Autohausgruppe mit Milliarden-Umsatz. An seinen Betrieben verkauft das Autohaus Ernst die Volumenmarken aus dem VW-Konzern: VW Pkw, Seat und Skoda sowie VW-Nutzfahrzeuge.

Mit dem Verkauf von Neu- und Gebrauchtwagen sowie dem Aftersales-Geschäft erzielte die Ernst Gruppe im Jahr 2020 einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro. Insgesamt beschäftige sie 250 Mitarbeiter und 19 Auszubildende .

Zuletzt hatte die Ernst Gruppe schwere Jahre hinter sich. Nach Daten des Bundesanzeigers schlitterte der Händler vor der Pandemie mit einem Millionenverlust tief in die roten Zahlen. Dann kam Corona und hinterließ laut Risikobericht weitere tiefe Spuren. Anders die Scherer Gruppe. Die Scherer Holding erwirtschaftet laut Bundesanzeiger seit Jahren deutlich steigende Gewinne im zweistelligen Millionenbereich.

Bei einem Asset Deal, wie er nun geschlossen wurde, erwirbt der Käufer Wirtschaftsgüter wie Maschinen und Rechte einzeln. Ausgenommen von der Übertragung sind Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines Gesellschafters stehen und von der Gesellschaft genutzt werden.

Die Scherer Gruppe ist einer der größten deutschen VW-Konzernhändler. An insgesamt 37 Standorten vertreibt sie die Marken VW Pkw und Nutzfahrzeuge sowie Porsche, Audi, Skoda, Seat und Cupra. Darüber hinaus hat das Unternehmen Handelsverträge mit Maserati und Ineos.

Die Scherer Gruppe betreibt auch Tankstellen und eine Autovermietung. Weiter ist die 1937 gegründete Unternehmensgruppe mit mehr als 2000 Mitarbeitern in der Bau- und Immobilienbranche tätig.

Zuletzt sorgte eine ganze Reihe ähnlicher Transaktionen, bei denen mittelgroße Händler mit drei bis zehn Standorten in Branchenriesen aufgehen, für Aufsehen. Anfang Mai gab etwa die niederländische Van Mossel Automotive Group – einer der zehn größten Autohändler Europas – bekannt, die deutsche Hugo Pfohe Gruppe zu übernehmen. Wenige Tage davor wiederum verkündete der Bochumer VW-Händler Tiemeyer, den größten Hyundai-Händler Deutschlands, die Darmas Gruppe, zu kaufen.

Diese Ballung von Übernahmen ist kein Zufall, sondern ein Trend, der sich schon in den vergangenen Jahren angebahnt hat. "Im Jahr 2022 verfolgten wir 227 bedeutende Transaktionen, von denen 39 grenzüberschreitend waren", sagt Steve Young, Chef des Handels-Marktforschers ICDP. Und dies sei nur die Spitze des Eisbergs, weil nur große europäischen Märkte betrachtet und nur große Transaktionen gezählt wurden.

Und die Entwicklung könnte noch einmal deutlich an Fahrt aufnehmen. Denn der Zeitpunkt für einen Exit aus der Branche könnte nicht besser sein: "Die letzten zwei Jahre sind für die Branche gut gelaufen. Viele Händler nutzen darum die Gelegenheit, um mit guten Geschäftszahlen einen hohem Verkaufspreis zu erzielen", erklärte unlängst Martijn Storm, Vorstandschef der Lueg-Gruppe im Gespräch mit der Automobilwoche. "Die Zahl der Kaufangebote auf unserem Tisch ist deutlich gewachsen", so Storm weiter.  Die Lueg Gruppe ist selbst ebenfalls auf Expansionskurs – 2019 übernahm sie etwa sechs Standorte der Merbag Gruppe in der Schweiz.

Am umtriebigsten im Hinblick auf grenzüberschreitende Übernahmen waren bisher die schwedische Hedin-Gruppe und die Schweizer Emil-Frey-Gruppe, auf die je neun der 39 erfassten Großübernahmen entfielen. Die Hedin-Gruppe sorgte hierzulande zuletzt als Importeur von BYD für Schlagzeilen. Deutsche Händler spielen bei internationalen Geschäften bislang nur eine Nebenrolle.

"Diese Konzentration auf das Inland spiegelt die relative Zersplitterung der deutschen Händlerstruktur wider", so Young. Deutsche Händler hätten meist die Möglichkeit, sich innerhalb ihrer Region zu konsolidieren. Das sei einfacher und günstiger.

Umgekehrt sind deutsche Händler oft Partner grenzüberschreitender Deals. Sechs der von ICDP erfassten internationalen Großtransaktionen fanden mit deutschen Verkäufern statt. Nur Belgien ist mit 15 noch beliebter. Häufig kämen Käufer aus der Nachbarschaft, vor allem entlang kultureller und sprachlicher "Cluster". Tatsächlich steigen in den deutschen Markt vor allem Händler aus Österreich oder der Schweiz ein. Prominenteste Beispiele: Emil Frey, Kestenholz und Merbag aus der Schweiz sowie Pappas, Unterberger und Sonnleitner aus Österreich.

"Dies liegt wohl einerseits an der relativ hohen Finanzkraft wie auch an den wenigen Potenzialen, um gerade in diesen beiden Ländern zu wachsen", sagt Stefan Reindl, Chef des Instituts für Automobilwirtschaft. Häufig spiele bei der Expansion auch die Nähe zu deutschen Herstellern eine Rolle.