Agenturvertrieb auch für Gebrauchtwagen?

Der Agenturvertrieb ist auf dem Vormarsch. Zahlreiche Hersteller wollen noch umstellen, etliche haben es schon gemacht. Anfang März erst wechselte Audi mit seinen E-Autos ins Agenturmodell, 2023 stellten beispielsweise Mercedes in Deutschland oder Stellantis in Österreich und den Niederlanden um.

Doch obwohl sich damit bereits erhebliche Einsparungen bei den Vertriebskosten ergaben, gehen die Hersteller nach Ansicht der Unternehmensberatung Accenture längst nicht weit genug. Unternehmensberatungen gelten in der Branche gemeinhin als Ideengeber und Treiber der Agenturpläne vieler Hersteller.

Accenture hat unter anderem BMW, Mercedes, Smart und den VW-Konzern bei deren Agenturplänen beraten sowie in einigen Fällen den Rollout begleitet und nun eine neue Studie zum Thema Agenturvertrieb vorgestellt. Darin schildern die Berater, wie aus ihrer Sicht das Agenturmodell über den bestehenden "Pilotstatus" hinaus ausgebaut werden kann. Das Ziel: Noch mehr Kosteneinsparungen, ein besseres Kundenerlebnis und mehr Wertschöpfung im Direktvertrieb.

Eine der zentralen Empfehlungen hierzu dürfte vor allem im Handel Protest hervorrufen: Die Agentur horizontal zu erweitern – auf Gebrauchtwagen und den Aftersales. Diese Bereiche könnten dank vieler Synergien in der Verwaltung der Kundeninteraktion ebenfalls vom Agenturmodell profitieren, schreiben die Autoren. Und weiter: "Autohersteller sollten daher überlegen, wie sie horizontale Direktvertriebs-Initiativen für Gebrauchtwagen und Aftersales ausweiten und vollständig integrieren können."

Dass Hersteller das schon jetzt erwägen, sollte niemanden verwundern, meint Johannes Trenka, Managing Director bei Accenture: "Natürlich denken einige Hersteller darüber nach, verstärkt selbst ins Gebrauchtwagengeschäft einzusteigen. Immerhin werden in diesem Bereich attraktive Margen erzielt."

Bei BMW etwa sind junge Gebrauchte schon jetzt fest als Teil des Agenturvertriebs eingeplant. Bei VW wiederum sorgten entsprechende Überlegungen auf Seiten von VW Financial Services für einen Proteststurm. Kein Wunder: Viele Händler sehen den Gebrauchtwagenhandel als eine der letzten Möglichkeiten, wo sie selbst noch unternehmerisch tätig sein können.

Folgen die Hersteller den Empfehlungen der Berater, könnte es damit in Zukunft vorbei sein. "Es ist denkbar, dass der Handel künftig vor allem für die Beratung der Kunden und die Übergabe von Neu- und Gebrauchtwagen verantwortlich ist. Die Aufbereitung, Bewertung und Vermarktung von Gebrauchtwagen lassen sich sehr gut beim Hersteller zentralisieren", sagt Trenka. Zudem ließen sich gerade bei E-Autos durch die Zentralisierung die Restwerte besser steuern.

Paradox: In der Studie empfiehlt Accenture zwar, die Inzahlungnahme von den Händlern abzuziehen und zu zentralisieren. Falls der Hersteller dafür aber keine Kapazitäten habe, solle er externe Dienstleister für Bewertung und Remarketing beauftragen. Der Handel solle nur noch gegebenenfalls Angebote validieren, Fahrzeuge reparieren sowie einlagern.

Folgende Gebrauchtwagen sollte der Hersteller laut Studie in die Agentur überführen:

• Inzahlungnahmen
• Vorführwagen
• Leasingrückläufer
• Zurückgegebene Online-Käufe

… und diese Bereiche im Aftersales:

• Teile und Arbeit
• Functions on Demand
• Zubehör
• Reifen
• Service-Verträge

Im Handel könne die weitere Zentralisierung zwar eine weiter fortschreitende Konsolidierung mit sich bringen und die wirtschaftliche Unabhängigkeit weiter herausfordern, diese bringe jedoch auch Vorteile. Etwa die Möglichkeit, weitere Risiken abzugeben (z.B. Restwertrisiko bei Leasingrückläufern). Zudem hätten Händler laut Studie "mehr direkte Kundeninteraktionen", mehr Angebote, die modernen Verbrauchererwartungen entsprächen sowie eine "verbesserte Profitabilität".

Neben der Ausweitung der Agentur auf Gebrauchtwagen und Aftersales, rät Accenture in seiner Studie auch, die bestehenden Modelle zunächst zu verbessern. "Das größte Optimierungspotenzial bei den gegenwärtigen Agenturmodellen liegt darin, manuelle Prozesse zu automatisieren. Auch das Omnikanal-Erlebnis für die Kunden ist häufig noch sehr brüchig", sagt Trenka.

Darüber hinaus sollten die Hersteller die Agentur regional ausweiten und Vertriebstätigkeiten und -verantwortungen auf regionaler Ebene bündeln. Dadurch könnten Lagerbestände, Preise und Marketingaktivitäten länderübergreifend gesteuert werden.

Das sei komplex und nicht von heute auf Morgen umsetzbar, lohne sich aber, meint Trenka: "Die Einführung eines Agenturmodells kann Vertriebskosten in Höhe von bis zu drei Prozentpunkten oder mehr einsparen. Dabei bringt ein echtes Agenturmodell in der Regel eine höhere Kostenersparnis als ein unechtes Agenturmodell. Werden Vertriebsfunktionen über mehrere Länder hinweg zentralisiert sind langfristig sogar noch höhere Einsparungen möglich."