Ein Seehund kommt selten allein: Nachdem BYD im letzten Jahr Herbst den schmucken Seal gegen Modelle wie den VW ID.7 oder den BMW i4 ins Rennen geschickt hat, beweisen die Chinesen jetzt buchstäblich Familiensinn und schicken als Seal U ein praktisches SUV hinterher. Mit 4,79 Metern in der gehobenen Kompaktklasse zu Hause und mit den gleichen sanften Linien gezeichnet wie die Limousine, tritt er an gegen Modelle wie den VW ID.4, den Skoda Enyaq, den Renault Megane E-Tech oder den Ford Mustang Mach-E an und überrascht dabei vor allem mit seiner Preispositionierung. Denn während die Konkurrenz gerne einen satten Aufschlag für den neuen Aufbau nimmt, setzt BYD den Rotstift an und streicht 3000 Euro: Wo die Limousine bei 44.990 Euro startet, steht das SUV deshalb schon mit 41.990 Euro in der Liste.
Möglich wird das freilich nur, weil die beiden Seehunde bis auf den Namen wenig miteinander gemein haben. Denn der Seal U steht auf einer anderen, eine halbe Generation älteren Plattform und fährt mit einem sehr viel weniger ambitionierten Antrieb: Ein Frontmotor mit 218 PS muss deshalb reichen, und statt einer strammen Abstimmung für Petrolheads gibt es für Lenkung und Fahrwerk einen eher gemütliches Setup, das Rücksicht nimmt auf die Pampersfraktion. Immerhin: Den Sprint von 0 auf 100 Sachen schafft auf der Seal U in unter zehn Sekunden, was bei bei einer Familienkutsche noch für Fracksausen reichen dürfte. Und dass er nur 175 statt 180 km/h erreicht, stört unter den E-Auto-Fahrern ohnehin keinen.
BYD macht dem VW ID.4 Konkurrenz
Mit dem Seal U will Newcomer BYD den europäischen SUV-Kunden eine Alternative zu VW ID.4 und Skoda Enyaq bieten. Auffällig sind das große Tablet im Innenraum und die besondere Batterie.
Dafür allerdings macht der Seal U dem „Utility“ im Namen alle Ehre und bietet bei 2,75 Metern Radstand auch in der zweiten Reihe noch genügend Platz und mit neigbaren Rückenlehnen obendrein viel Komfort für die Hinterbänkler. Der Kofferraum hinter der elektrischen Klappe fasst samt des Souterrains 570 Liter und kann auf bis zu 1449 Liter erweitert werden und ist damit spürbar größer als bei der Seal Limousine. Da kann man dann auch verschmerzen, dass es diesmal keinen Frunk gibt und man das Ladekabel hinten in den doppelten Boden friemeln muss.
Keine Abstriche macht BYD dagegen beim Ambiente: Genau wie der Seal wirkt auch der Seal U deshalb betont nobel, fühlt sich überall fein und vornehm an und leistet sich – zum Beispiel um den Wählhebel fürs Getriebe – den gleichen Zierrat aus Bleikristall-Imitat wie BMW bei Siebener & Co. Dazu gibt es eine großflächige Ambientebeleuchtung in Türen sowie im teilweise transparenten Cockpit und ein wie so oft bei den Chinesen ziemlich verspieltes Infotainment mit einem drehbaren XXL-Tablet vor der Mittelkonsole samt Selfie-Kamera und Karaoke-Mikrofon.
Der ganze Stolz der Entwickler sind ohnehin die Akkus. Denn wie alle Stromer aus Shenzhen kommt der Seal U mit jener ominösen Blade-Batterie, die BYD zum Champion unter den E-Herstellern machen soll. Ihre Zellen sind nicht rund oder prismatisch, sondern dünn und lang wie die Klingen eines Messers und erstrecken sich im Unterboden über nahezu die gesamte Fahrzeugbreite. Das erhöht nicht nur die Sicherheit und senkt die Kosten, sondern das erlaubt auch eine sehr kompakte und vor allem flache Batterie, die obendrein zum integralen Bestandteil der Plattform wird und so die Steiffigkeit erhöht und im Gegenzug das Gewicht sinkt.
Angeboten werden die Akkus im Seal U in zwei Konfigurationen: mit 72 oder 87 kWh für 420 oder bestenfalls 500 Normkilometer, wobei zum Beispiel die Wärmepumpe für eine temperaturstabile Streckenkalkulation serienmäßig an Bord ist. Nur beim Laden macht die China-Klinge keinen ganz so scharfen Schnitt: Am Wechselstrom sind elf kW das Maximum und am Schnelllader gibt es je nach Version nur 115 bis 140 kW – da ist die Konkurrenz zum Teil deutlich besser.
Zwar ist „Build Your Dream“ mittlerweile zum weltweit größten Hersteller elektrifizierter Fahrzeuge aufgestiegen und je näher Firmenchef Wang Chuanfu seinem Traum kommt, desto größer wird der Alpdruck für Männer wie Tesla-Chef Elon Musk oder VW-Vorstand Oliver Blume. Doch allein auf die elektrische Euphorie wollen sie sich offenbar nicht mehr verlassen. Der Stammsitz in Shenzhen mag zwar weit weg sein, aber auch auf die Distanz haben sie offenbar gemerkt, dass unsere Begeisterung fürs Batterieauto merklich abgekühlt hat – und deshalb für den Seal U auch einen Plug-in-Hybriden in Petto. Während die Systemleistung mit dem 1,5-Liter-Turbo auf 428 PS steigen wird, es dann auch den zum SUV passenden Allradantrieb geben wird und zu etwa 120 Kilometern aus einer 17 kWh-Batterie noch einmal über 600 Kilometer Reichweite aus dem Benzintank kommen, dürfte der Preis noch einmal deutlich fallen – und so nicht nur ID.4-Fahrer locken oder Enyaq-Kunden, sondern auch treue Fans von Tiguan & Co neugierig machen.
Aus dem Datencenter:
Entwicklung der reinen Elektroautos in Deutschland bis Dezember 2023