Aus dem Ford Ranger wird VWs neuer Held fürs Grobe

"Alleine hätten wir es nicht noch einmal geschafft." Für gewöhnlich haben sie bei VW ein unerschütterliches Selbstbewusstsein und gestehen nur selten eine Schwäche ein. Doch wenn Nutzfahrzeug-Vertriebschef Lars Krause über die Familienplanung für Amarok spricht, gibt er sich erstaunlich offen. Nicht, dass die Niedersachsen sich keinen neuerlichen Pick-Up mehr zutrauen würden. Immerhin haben sie vom aktuellen Modell in zwölf Jahren über 800.000 Exemplare verkauft und damit nicht zuletzt Mercedes eine Harke gezeigt. Schließlich haben die Schwaben mit ihrer X-Klasse einen peinlichen Schiffbruch erlitten und den ersten Luxus-Pick-Up aus Deutschland mangels Erfolg still und heimlich wieder vom Markt genommen. "Doch mit der Rendite hätten wir uns bei einer Eigenentwicklung wahrscheinlich schwer getan", räumt Krause ein und zieht deshalb den Hut vor seinen neuen Freunden in Detroit. Denn so, wie VW dem Ford-Konzern für die Elektrifizierung seiner Europa-Flotte den viel beschworenen MEB überlässt, haben die Amerikaner als Basis für den neuen Amarok den Ranger in die Runde geworfen. Vereinbart wurde die Allianz schon vor Jahren, doch so langsam trägt sie Früchte. Denn nachdem der Ranger bereits vorgestellt wurde, hat jetzt auch VW das Tuch gelüftet und den neuen Amarok enthüllt, bevor er kurz vor dem Jahreswechsel zu Schätzpreisen in der Mitte der 40.000er in den Handel kommt.

Dabei schwingt sich der Held in Hemdsärmeln zu neuer Größe auf: Er soll nicht nur bulliger werden und mit seinen bis zu 21 Zoll großen Rädern satter auf der Straße stehen. Sondern er wächst auch in allen wichtigen Dimensionen, stellen die Niedersachsen in Aussicht. So geht der Amarok um runde zehn Zentimeter in die Länge und misst dann knapp 5,40 Meter. Und weil der Radstand mit 3,27 Metern nun fast 18 Zentimeter länger ist als bisher, gibt’s zur Freude der Hinterbänkler nicht nur spürbar mehr Platz in der Doppelkabine, sondern auch noch kürzere Überhänge, so dass sich der Amarok tapferer durch den Dreck wühlt. Und breitere Schultern bekommt er obendrein. Denn die Nutzlast steigt auf bis zu 1,2 Tonnen und die maximale Anhängelast von 3,5 Tonnen wird nun für mehr Varianten angeboten.

Das Design wahrt außen bei allen Parallelen eine gewisse Eigenständigkeit, weil die meisten Blechteile neu gepresst werden. Innen dagegen sind sich Ranger und Amarok trotz des VW-Lenkrads und ein paar Schalter aus dem Konzernregal ziemlich nahe, und das ist diesmal kein Schaden. Denn während VW die Geduld der Kunden mit seinem Infotainment in den aktuellen MQB- und MEB-Modellen schwer auf die Probe stellt, gibt’s im Amarok dankenswerterweise das riesige Tablet und die sehr viel eingängigere Software der Amerikaner.

Unter dem Blech wird der Paarlauf sogar noch enger. Natürlich sind Set-Up und Tuning individuell. Nicht umsonst hat der Amarok überall auf der Welt die VW-eigenen Tests und Probefahrten durchlaufen. Doch der Heckantrieb und die beiden unterschiedlichen Allradsysteme kommen genauso von Ford wie die Zehngangautomatik, der für den Export bestimmte V6-Benziner mit 302 PS sowie die zwei Vierzylinder-Diesel mit 150 oder 209 PS und der drei Liter große V6-Diesel, der mit 250 PS bei uns die Spitze markieren wird. Und die allermeisten der 30 Assistenzsysteme haben ihre Wurzeln auch eher in Detroit als in Wolfsburg. Aber immerhin gibt’s so für den Amarok nun erstmals digitales Matrix-Licht und im Alltag mehr Helfer als bei Caddy & Co.

Mehr Nutzlast auf der Pritsche, leistungsfähiger im Gelände und komfortabler in der Kabine – so wird der Amarok zum idealen Begleiter für Arbeit und Abenteuer und ist fit für den globalen Einsatz in allen Ecken der Welt. Das hat er schon vor der Markteinführung beweisen: Denn präsentiert in Wolfsburg, wurde er vor allem in Australien entwickelt und läuft in Südafrika vom Band.

Zwar setzt VW große Stücke auf den neuen Amarok und hat über die Partnerschaft mit Ford diesmal zumindest theoretisch auch Zugang zum US-Markt, der seinem Vorgänger noch verwehrt war. Doch während sie in Hannover noch zaudern mit dem Schritt auf den Muttermarkt aller Pritschenwagen, hat VW in Wolfsburg und Washington längst Nägel mit Köpfen gemacht. Um endlich wieder zu alter Größe zu finden in Amerika und zugleich die Abhängigkeit von China zu verringern, wollen die Niedersachsen dort bald ihren eigenen Fullsize-Pick-Up anbieten – natürlich elektrisch: Denn mit der Elektrifizierung werden die Karten neu gemischt, das ist die Chance unseres Lebens, sagt US-Chef Scott Keogh und hat damit bei Herbert Diess offenbar ein offenes Ohr gefunden: Der will in den nächsten Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag locker machen, eine neue Fabrik im Nafta-Raum aus dem Boden stampfen und ein Auto bauen, das gegen Lightning & Co antreten soll. Statt auf den Amarok setzt VW dafür auf eine alte Marke, die über den Umweg Navistar und Traton ins Portfolio geschlittert ist und nun zu neuem Leben erweckt werden soll: Scout. Einst vom Landmaschinenhersteller International Harvester gegründet, soll sie mit einem Pick-Up und einem großen Geländewagen im Stil des Land Rover Defender 2026 neu an den Start gehen.

Aus dem Datencenter:

Wer liefert was für den VW Amarok Baujahr 2011?