So will Crédit Agricole VW, Renault und Co die Stirn bieten

Herr Priami, die Crédit Agricole will ein führender Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen werden. Was haben Sie geplant?

Die Gesetzgebung treibt die Entwicklung zu elektrifizierten Fahrzeugen und damit die Transformation der Automobilbranche schnell voran. Elektroautos, Hybride, Wasserstoff – grüne Mobilität gewinnt zunehmend an Bedeutung. Von diesem Wandel wollen wir profitieren. Unser erklärtes Ziel ist es, einer der führenden Anbieter von grüner Mobilität in Europa zu werden.

Wo sehen Sie als Finanzdienstleister Chancen?

Verbraucher sind immer seltener bereit, ein Fahrzeug tatsächlich zu kaufen. Das gilt insbesondere für Elektroautos. Niemand weiß, wie sich die Technik in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird, und auch die Frage, wie viel ein Elektroauto nach fünf Jahren noch wert ist, treibt Verbraucher um. Statt das Fahrzeug zu besitzen, wollen Verbraucher es nutzen. Das ist ein allgemeiner Trend in der Gesellschaft.

Wie wollen Sie ihn nutzen?

Wir wollen alle Mobilitätsdienstleistungen anbieten – vom Leasing über die Kurz- und Langzeitmiete bis hin zu Abo und Carsharing. Diese Mobilitätsdienstleistungen werden wir insbesondere unter der Marke Drivalia anbieten.

Was steckt hinter Drivalia?

Unser mit Stellantis geschlossener Vertrag sieht die komplette Übernahme der FCA Bank vor. Diese soll in der ersten Hälfte des nächsten Jahres über die Bühne gehen. Dadurch bauen wir nicht nur unser Finanzierungsgeschäft bei Marken wie Fiat, Chrysler und Jeep aus, wir sind auch mit einem Schlag in 18 Ländern präsent. Leasys Rent, ein Teil der FCA Bank Gruppe, ist die Basis für die neue Marke Drivalia, mit der wir Mitte Oktober an den Start gegangen sind. Unter der neuen Marke bündeln wir unsere Miet-, Abo- und Carsharing- sowie weitere Mobilitätsangebote.

Welche Pläne haben Sie mit Drivalia?

Mit Drivalia sind wir bereits in sieben europäischen Ländern aktiv. Wir haben rund 650 Drivalia Mobility Stores und betreiben eine Flotte mit mehr als 55.000 Fahrzeugen. Das wollen wir kräftig ausbauen. Bis 2025 wollen wir die Zahl der Stores verdoppeln und unsere Flotte verdreifachen.

Wann kommt Drivalia nach Deutschland?

Wir wollen die Marke im nächsten Jahr in fünf Ländern launchen: Deutschland, Belgien und die Niederlande sowie die Schweiz und Polen.

Was haben Sie für Deutschland geplant?

Im März 2023 wollen wir an den Start gehen. Was wir genau anbieten werden, das legen wir gerade fest.

Wollen Sie in Deutschland auch ins Carsharing einsteigen?

Das werden wir sehen. Carsharing ist weniger in der City als in den städtischen Randbereichen gefragt. Wer 20 Kilometer vom Zentrum weg wohnt, braucht eine Möglichkeit, um in die Stadt zu kommen. Wir testen das Carsharing in kleineren Städten mit bis zu 30.000 Einwohnern in Frankreich. Ist es erfolgreich, bringen wir es auch nach Deutschland.

Die deutschen Hersteller haben ihre Carsharing-Aktivitäten verkauft, mehrere Vermieter sind in den vergangenen Monaten Pleite gegangen. Warum sollte es bei Ihnen klappen?

Wer mit Mobilitätsdienstleistungen Erfolg haben will, braucht das komplette Angebot. Dies ermöglicht es uns, am Lebenszyklus eines Fahrzeuges gleich mehrmals zu verdienen. Hinzu kommt, dass viele Menschen zunehmend digitale Angebote nutzen. Das bedeutet: Wir brauchen mit unseren Standorten nicht unbedingt an teuren Flughäfen vertreten sein, vielen reicht eine App.

Renault mit Mobilize, VW mit Europcar, Stellantis mit Free2Move – sie haben starke Wettbewerber, die an ähnlichen Angeboten arbeiten.

Die Herausforderung sind nicht primär unsere Wettbewerber. Der Markt ist groß und bietet Chancen für viele Player und wir wollen bestimmt nicht Volkswagen überholen. Der Markt wird jedoch in Zukunft kräftig zulegen und dann sind wir dabei. Jetzt ist die richtige Zeit, um einzusteigen.

Ihre Wettbewerber produzieren die Fahrzeuge selbst und sitzen direkt an der Quelle.

Dafür sind wir nicht an einen Hersteller gebunden. Wir haben eine White-Label-Lösung. Viele Hersteller sind froh, wenn sie nicht alles selbst stemmen müssen. Das gilt auch für neue Wettbewerber wie Vinfast oder Fisker, die die etablierten Hersteller gerade unter Druck setzen.

Wie wollen Sie davon profitieren?

Wir haben eine sehr große Einkaufsmacht. In den vergangenen Monaten waren Fahrzeuge knapp. Das wird sich künftig wieder ändern. Ein Beispiel: Wenn ein Händler noch 30 Fahrzeuge verkaufen muss, um seine Volumenziele zu erreichen, können wir sie ihm abkaufen. Wir können ihm auch anbieten, dass er auf unsere Fahrzeuge als Werkstattersatzwagen zurückgreifen kann. Es gibt viele Möglichkeiten für Synergieeffekte. Die Branche ist derzeit sehr porös und bietet viele Chancen.

Sie haben mit Hopium eine Vereinbarung über eine Order von 10.000 Wasserstofffahrzeugen unterzeichnet. Mit welchem Ziel?

Es ist schwer absehbar, welche Technologie sich am Ende durchsetzen wird. Alle französischen Banken investieren in Wasserstoff. Für uns ist entscheidend, überall dabei zu sein. Nicht alles, worin wir investieren, wird sich am Ende durchsetzen. Das ist klar. Aber nur so können wir es schaffen, ein führender Anbieter grüner Mobilität zu werden.

Haben Sie in Frankreich die notwendige Infrastruktur für Wasserstoff?

Bislang nicht. Aber wir wollen Wasserstoff voranbringen. Das ist eine sehr interessante und spannende Technologie, gerade für Nutzfahrzeuge. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Lkw mit Batterie durchsetzen, und auch für private Verbraucher kann Wasserstoff interessant sein.

Da gehen Sie hohe Risiken ein.

Die Risiken haben wir fest im Blick hierbei.

Mit der Investition in Wasserstoff sind Sie ihrer Zeit voraus; beim Leasing hinterher. Ihre Wettbewerber – Société Générale und BNP Paribas – haben bereits Flotten mit Millionen Fahrzeugen unter Vertrag. Sie steigen jetzt erst ein.

Mit Stellantis gründen wir ein Joint Venture, an dem beide mit je 50 Prozent beteiligt sind. Stellantis bringt seine derzeit rund 700.000 Leasingfahrzeuge ein. Damit sind wir von Beginn an unter den Top Fünf der Anbieter. Wir wollen schnell in die Top Drei aufsteigen. Bis 2026 wollen wir bei über einer Million Fahrzeugen sein.

Für Leasinganbieter ist die Größe ein entscheidender Faktor.

Wir haben andere Vorteile. Im Gegensatz zu unseren französischen Wettbewerbern haben wir mit Stellantis einen Hersteller als Partner. Damit stehen wir in der ersten Reihe. Mit der Crédit Agricole Consumer Finance sind wir bereits in zahlreichen Ländern präsent, in Deutschland mit der Creditplus Bank. Außerdem verfügen wir durch die Übernahme der FCA Bank über ein europäisches Vertriebsnetz. So haben unsere Kunden die Wahl und können sich für die beste Lösung entscheiden.

Wollen Sie über das Vertriebsnetz nur Kredite und Finanzierungen anbieten?

Nein, alles ist denkbar, beispielsweise auch der Verkauf von Fahrzeugen. In Frankreich hat die Crédit Agricole zahlreiche physische Standorte und den direkten Draht zum Kunden. In anderen Ländern sind wir offen für Kooperationen und Partnerschaften mit anderen Banken.

Wollen Sie auch in den Aftersales-Bereich einsteigen?

Wartung, Reparatur, Reifenwechsel – das sind alles grundlegende und sehr rentable Bereiche. Wir wollen die gesamte Palette an Serviceleistungen anbieten. Gerade hier gibt es viele Möglichkeiten, mit Partnern zusammenzuarbeiten. Ende des Jahres kündigen wir in Deutschland eine Partnerschaft mit einer Werkstattkette an.

In den USA war der Leasinganteil zuletzt deutlich rückläufig. Welche Entwicklung erwarten Sie für Europa?

Ich gehe davon aus, dass er weiter zu nehmen wird. Früher hat man ein Auto auf fünf Jahre finanziert und dann weiterverkauft. Das möchte heute niemand mehr. Die Welt hat sich verändert. Das ist eine Herausforderung, aber vor allem auch eine große Chance.

Aus dem Datencenter:

Einlagengeschäft ausgewählter Autobanken