Herr Schäfer, letztes Jahr auf der IZB stellten Sie sich ziemlich spontan mit Oliver Blume zum Tauziehen in den Gang. Das wäre unter Ihren Vorgängern wohl undenkbar gewesen. Da hätte jeder sofort gesagt: Tauziehen um die Macht in Wolfsburg. Ihnen schien es einfach nur Spaß zu machen.
So ist es. Wir haben auch Spaß im Vorstand. Es wird hart gearbeitet, aber auch mal gelacht. Ich finde es wichtig, dass sich nicht jeder so ernst nimmt.
Also keine Rivalität zwischen Ihnen und Blume?
Ganz im Gegenteil. Wir sind beide pragmatische Typen, die nah am gesamten Team arbeiten. Uns eint der Produktionshintergrund, das passt. Wir tauschen uns intensiv aus, denn die Marke Volkswagen liegt ihm sehr am Herzen. Das ist prima. Gleichzeitig lässt er den Marken viel Freiheit. Das funktioniert sehr gut.
Sie sind jetzt seit einem Jahr in Wolfsburg und seit neun Monaten Markenchef. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?
Zweifelsohne eine spannende Zeit! Es ging zunächst einmal darum, zu definieren, wo wir mit der Marke hinwollen. Da waren wir uns schnell einig: Wir machen VW wieder zu einer echten Love Brand, wir bringen die Marke wieder zum Strahlen und werden wieder Industrie-Benchmark. Ich fand es extrem motivierend, wie die Mannschaft sofort darauf angesprungen ist. Das spüre ich überall, wo ich hingehe. Das hat einen richtigen Ruck gegeben. Im vergangenen Jahr haben wir viele wichtige Entscheidungen getroffen. Die Richtung ist also klar, jetzt geht’s ans Umsetzen.
Sie haben der Marke ein neues Markenbild verordnet und auch ein neues Design. Was hat Ihnen denn am bisherigen nicht gefallen?
Das bisherige Fahrzeugdesign ist ja in einer Zeit entstanden, als man unbedingt anders sein und Volkswagen quasi neu erfinden wollte. Das mag mit dem konsequenten Weg in die Elektromobilität auch richtig gewesen sein. Gerade für die Zeit, in der Verbrenner und E-Fahrzeuge parallel laufen. Aber jetzt haben wir uns die Frage gestellt: Was zeichnet einen VW in Zukunft aus und wie spiegelt sich das im Design wider? Unser neuer Designchef Andreas Mindt hat das auf den Punkt gebracht: Stabilität, Sympathie und Begeisterung. Es geht auch um Präzision, klare Linien und Top-Qualität. Da waren wir mal Benchmark, und da müssen wir wieder hin.
Das erste sichtbare Ergebnis ist der ID. 2all. Wie wichtig ist das Modell für Sie?
Sehr wichtig! Das Auto zeigt, wo wir insgesamt mit der Marke hinwollen: nah am Kunden, Top-Technologie, tolles Design und einen extrem hohen Qualitätsanspruch. Und das zu einem knackigen Preis von unter 25.000 Euro. Damit machen wir die E-Mobilität massentauglich. Das ist ein wichtiger Aufschlag.
Kommt das Auto nicht 2025 etwas zu spät dafür?
Früher wäre immer besser. Aber schneller geht es leider nicht. Es ist schon eine Kunst, ein E-Auto zu diesem Preis auf die Räder zu stellen. Das Serienauto stellen wir 2025 vor.
Eigentlich wollen sie in der Volumengruppe ja weniger Modelle und Varianten, nicht mehr jedes Segment mit jeder Marke besetzen. Beim ID.2 machen Sie jetzt aber doch wieder vier Varianten von drei Marken.
Ja und das macht Sinn, denn die Fahrzeuge könnten unterschiedlicher nicht sein. Ich habe mir gerade für alle Vier die aktuellen Stände nebeneinander angesehen. Und ich muss sagen: Wow! Da kommt keiner auf die Idee, dass sie die gleiche Plattform haben. Grandios! Und gleichzeitig erleben wir eine ganz neue Stimmung. Früher hat es das nicht gegeben, dass die Marken sich gegenseitig auf den Tisch legen, was sie planen.
Und der 20.000-Euro-Stromer, der es eigentlich mal werden sollte?
Stand heute ist so ein E-Auto zu den aktuellen Batterie- und Rohstoffkosten preislich noch nicht darstellbar. Dennoch arbeiten wir intensiv daran, eine Lösung zu finden. Das würde dann aber eher ein Auto im up!-Format werden.
Wie weit sind Sie denn?
Da gibt es vielversprechende Ansätze. Wir gehen das ergebnisoffen an: Von einer Kooperation mit einem anderen Hersteller über ein abgespecktes Bestandsmodell bis hin zur kompletten Neuentwicklung – alles ist grundsätzlich denkbar. Im zweiten Halbjahr sollten wir wissen, in welche Richtung es geht.
Und wann soll er dann anlaufen?
Es wäre schön, wenn wir das in diesem Jahrzehnt hinbekommen könnten. Je früher, desto besser. Aber noch sind wir nicht so weit. Wir müssen jetzt erst einmal die Ergebnisse der Prüfung abwarten.
Und bis dahin übernimmt der E-Up diese Rolle? Wie lange werden sie den noch bauen?
Der wird Mitte 2024 mit den neuen UNECE-Regeln für die Cybersecurity auslaufen. Leider. Wir müssten da sonst noch einmal eine komplett neue Elektronik-Architektur integrieren. Das wäre schlichtweg zu teuer. Da ist es besser, lieber gleich ein neues Auto zu entwickeln.