Goldene Zeiten im Aftersales

Für Autokäufer ging 2019 eine gute Zeit zu Ende: Die Kaufkraft war hoch, die Wirtschaft brummte, und die Autohersteller drückten mit aller Rabattmacht ihre Produktion in den Markt. Seitdem jedoch kennen die Preise nur noch eine Richtung: steil nach oben. Von 2019 bis 2022 verteuerten sich Neuwagen in Deutschland um durchschnittlich 9210 auf 42.790 Euro, Gebrauchtwagen um 6330 auf 18.800 Euro. Selbst in normalen Zeiten wäre das zu viel für so manche Haushaltskasse. Doch die Zeiten sind nicht normal, und die Nachfrage in vielen Showrooms liegt dementsprechend danieder.

Ganz anders die Lage in den Werkstätten nebenan. "Die meisten Betriebe haben schon lange nicht mehr so hohe Umsätze wie in der letzten Zeit erwirtschaftet", sagt ZDK-Vizepräsident und Bundesinnungsmeister Detlef Peter Grün. Allein von Januar bis Juni 2023 stieg die durchschnittliche Werkstattauslastung im Kfz-Gewerbe auf 87 Prozent, im Mai lag sie sogar bei 90 Prozent (Gesamtjahr 2019: 83 Prozent).

Der Grund ist einfach: "Verbraucher halten ihre Fahrzeuge immer länger. Zu Jahresanfang war das Durchschnittsalter 10,1 Jahre, am Jahresende könnten es 10,7 Jahre sein", sagt Sebastian Heitfeld, Deutschland-Chef beim Aftermarket-Analysten Gipa. Und je älter ein Fahrzeug ist, desto wartungs-und reparaturintensiver ist es.

"Es werden immer mehr Autos repariert, die vor wenigen Jahren noch in den Export gegangen sind, weil sich die Besitzer lieber ein neues Auto gekauft haben", bestätigt Grün. "Wir haben in Deutschland mittlerweile einen kleinen Kuba-Effekt." Das heißt, die Wagen müssen länger durchhalten als geplant.

Durch das höhere Alter sei der Anteil großer und teurer Reparaturfälle wie etwa Kupplungs-, Motor- und Getriebeschäden deutlich gestiegen. Reparaturen für mehrere Tausend Euro seien keine Seltenheit mehr, so der ZDK-Vize. "Werkstätten gehören auf jeden Fall zu den Gewinnern der vergangenen Jahre", konstatiert Heitfeld.

Daran dürfte sich auf absehbare Zeit wenig ändern. Denn die wirtschaftliche Unsicherheit hält an, und durch den Fachkräftemangel in der Branche trifft die hohe Nachfrage auf ein zwangsläufig knappes Angebot. Auch macht sich der politisch gewollte Abschied vom Verbrenner im Fahrzeugbestand nur langsam bemerkbar. "Wir haben noch mindestens zehn Jahre business as usual. Erst dann wird der Verbrenner-Abschied für spürbare Veränderungen sorgen", prognostiziert Zoran Nikolic, Geschäftsführer des Branchenanalysten Wolk After Sales Experts.

Ganz ungetrübt ist die momentane Lage aus seiner Sicht nicht. Denn die hohe Inflation fresse einen erheblichen Teil der zusätzlichen Erträge auf. Zudem machten es sich viele Betriebe zu bequem: "Die meisten Werkstätten sind passiv wie eh und je. Die zusätzlichen Umsätze fallen den Betrieben wegen der Marktlage in den Schoß, ohne dass sie dafür besonders aktiv und geschäftstüchtig sein müssten."

Von einer Goldgräberstimmung könne man daher bei aller Euphorie nicht sprechen. Mit zusätzlichen Services wie Tuning oder dem Handel mit Zubehör ließe sich noch viel mehr aus dem vorhandenen Fahrzeugbestand herausholen. Doch ob das passiert, ist fraglich - läuft ja auch so.