"Zu wenig Volkswagen": Was VW beim Design künftig anders machen will

Zu verspielt? Zu stark am Mehrheitsgeschmack vorbei gezeichnet? Das waren die Autos von Volkswagen nie. Und wenn doch einmal zu viel Chrom im Einsatz war, kehrte man schnell wieder zur modernen Sachlichkeit zurück.

Zeitgemäß, aber nicht aufdringlich. Einige Design-Ikonen hat VW mit dieser Einstellung auf die Räder gestellt. Käfer und Golf stachen zur Zeit ihrer Premiere deutlich aus dem automobilen Mainstream heraus. Ein progressiverer Design-Stil ist laut Andreas Mindt, seit Februar 2023 Leiter Volkswagen Design, nun wieder gefragt. Als Orientierung dienen aber immer die Markenwerte.

Besonders wichtig für Mindt: die Beachtung des Goldenen Schnitts. "Die Aufteilung in ein Zwei-Fünftel- und Drei-Fünftel-Verhältnis kennen wir bereits von Leonardo da Vinci", sagt er. Und betont: "Die Bedeutung des Goldenen Schnitts für das Design der Marke Volkswagen lässt sich kaum zu hoch bewerten." Schon bei Käfer und Golf fänden sie sich in Form der Chromleiste beziehungsweise in der Brüstungslinie wieder.

Auch viele natürliche Elemente wiesen den Goldenen Schnitt auf, weshalb danach gestaltete Objekte in der Regel nicht polarisierten, so Mindt. Dies sei ein relevantes Kriterium für eine Volumenmarke: "Für die Marke Volkswagen ist es immens wichtig, dass vielen Menschen ihr Design gefällt."

Ein Anspruch, den Volkswagen mit Käfer, Golf und vielen anderen Modellen erfolgreich in die Tat umgesetzt hat. Nicht jeden Geschmack treffen allerdings die vollelektrischen ID-Modelle. Volkswagen wollte hier auch Kunden außerhalb der klassischen Zielgruppen ansprechen. Daher setzte man auf ein für die Marke radikal anderes Design. "Heute müssen wir uns selbstkritisch eingestehen: Das Ergebnis war vielleicht zu wenig Volkswagen", sagt Mindt.

Das soll künftig nicht mehr passieren. Sein Team arbeitet an der Neuausrichtung des Volkswagen-Designs. Und einen ersten Eindruck, wohin die Reise gehen wird, vermitteln die Studien ID 2all und ID Code.

Den ID 2all präsentierte Volkswagen im März vergangenen Jahres nur sechs Wochen nach Mindts Antritt als Marken-Chefdesigner. Mit dem ID Code stellte Volkswagen im April 2024 auf der Peking Auto Show einen weiteren Ausblick auf das neue Markendesign vor. Dieses Mal mit Fokus auf die chinesischen Kundenbedürfnisse.

Was beide Modelle zeigen: Das Volkswagen-Design wird künftig insgesamt wieder klarer, reduzierter, sachlicher. Mindt legt großen Wert auf einen stabilen Auftritt der Autos, mit schlankem Fahrzeugkörper und breiter Spur. "Der erste Golf GTI verkörperte dieses Prinzip mit seinen Kotflügelverbreiterungen sehr gut", so der Designer. "Genauso übrigens alle Versionen des Golf IV."

Die Grundfesten des Volkswagen-Designs gelten dabei global. Marktspezifische Detailanpassungen will die Marke künftig weiter zulassen. Mindt sieht allerdings weltweit einen Trend hin zu sachlicheren Designs ohne dekorative Elemente: "Selbst in China, von dem wir immer glaubten, dass es ohne verspielteres Design dort nicht ginge."

Letztlich, so seine Einschätzung, hätten sich die Menschen sattgesehen an einem Zuviel an Design: "Ein reduziertes Design entspricht dem Bedürfnis zu mehr Authentizität." Eine Entwicklung, die es für Gestalter nicht unbedingt einfacher macht. Ist doch ein viel größerer Blick auf Details notwendig.

Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren ist für Mindt auch eine Möglichkeit, spürbaren Mehrwert zu erzeugen. Als Beispiel nennt er das Interieur der Studie ID 2all. Man habe den inneren Türgriff, den Türöffner sowie die Armlehne in der Tür in einem Element kombiniert. Die Kostenersparnis daraus habe man am Ende in ein höherwertiges Innenraum-Material investiert, was so auch für die Serienversion des VW ID 2all geplant sei. Diese will Volkswagen Ende 2025 der Öffentlichkeit vorstellen – als erstes Modell, das die neue Design-Philosophie verkörpert.

Die Neuausrichtung des Designs beschränkt sich nicht nur auf das Außendesign. Auch im Interieur will Mindt gemeinsam mit seinem Team den Stil neu prägen. Ausgewählte wichtige Funktionen wie die Lautstärkeregelung sollen dann wieder über "schlichte, aber hochwertige" haptische Bedienelemente steuerbar sein.

Allerdings wird die Sprachsteuerung bei Volkswagen laut dem Designer auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen: "Um die Fahrzeuge ergonomisch und optisch nicht zu überfrachten."