Was der Bremsen-Großauftrag für ZF bedeutet

Der Zulieferer ZF Friedrichshafen hat einen Großauftrag für Brake-by-Wire-Bremssysteme von einem weltweit tätigen Fahrzeughersteller erhalten. Nach Angaben des Zulieferers auf der US-Elektronikmesse CES sollen damit fast fünf Millionen Fahrzeuge des Autohersteller ausgestattet werden.

„Es ist der größte Auftrag, den die Division Chassis Solutions seit ihrer Gründung vor einem Jahr erhalten hat“, erklärte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage der Automobilwoche. Zum Kunden und dem Auftragsvolumen wollte das Unternehmen keine Angaben machen.

Der Auftrag geht auf das Konto der von Peter Holdmann geführten Division Chassis Solutions. Zu der auf Fahrwerktechnik spezialisierten Einheit gehören auch By-Wire-Technologien für softwaredefinierte Fahrzeuge. ZF hatte die Divisionen Aktive Sicherheitstechnik und Pkw-Fahrwerktechnik im Januar 2024 zur Division Chassis-Solutions zusammengeführt. Ohne das Achsmontagegeschäft, für das ZF mit Foxconn einen Partner gefunden hat, erreicht die Division Chassis Solutions rund 11,5 Milliarden Euro Umsatz.

Mit dem Großauftrag sieht Holdmann, Mitglied des ZF-Vorstands und Leiter der Division Chassis Solutions, die Strategie des Zulieferers bestätigt. Der Manager hatte im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Automobilwoche gesagt, ZF zu einem führenden Anbieter im Bereich Software machen zu wollen.

Positive Nachrichten kann der Konzern gut gebrauchen. Das Unternehmen steht unter Sparzwang. Der Zulieferer hatte im Sommer 2024 erklärt, zwischen 11.000 und 14.000 seiner insgesamt 54.000 Mitarbeiter hierzulande bis 2028 abbauen zu wollen. Darüber hinaus will das Unternehmen Werke und Produktionen zu Standortverbünden zusammenlegen. Heftige Protestkundgebungen der Belegschaft waren die Folge. Holdmann hatte im Interview erklärt, mit seiner Division einen substanziellen Beitrag zum Ziel des Konzerns beizusteuern, in den nächsten zwei Jahren sechs Milliarden Euro einzusparen.

Der jetzige Auftrag umfasst die elektro-mechanische Bremse und By-Wire-Technologie an den Hinterrädern, die integrierte Bremssteuerung „Integrated Brake Control“ (IBC) sowie traditionelle Bremssättel vorne. Hierdurch entsteht laut ZF ein hybrides Bremssystem aus By-Wire und Hydraulik, das dem Kunden mehr Flexibilität bieten soll.

Die Vereinbarung umfasst zudem die elektro-mechanische Kugelumlauflenkung des Zulieferers. Diese Kombination aus Bremstechnologie, traditionellen Bremssystemen und Lenkung soll die Position des Zulieferers als Branchenführer und Anbieter kompletter Fahrwerkslösungen stärken.

Mit der elektro-mechanischen Bremse (EMB), die wesentlicher Bestandteil der Brake-by-Wire-Technologie ist, lege das Unternehmen den Grundstein für das softwaredefinierte Fahrzeug. Dieses führe zu neuen Funktionen und Features für mehr Sicherheit und Fahrkomfort. Mit der By-Wire-Technologie wird das Fahrzeug befähigt, in einer Crashsituation autonom zu bremsen und lenken zu können.

Die EMB ist das Zentrum des „trockenen“ Bremssystems, in dem keine Bremsflüssigkeit mehr benötigt wird. Der Bremsdruck wird nicht durch den Druck von Flüssigkeiten im Hydrauliksystem erzeugt, sondern durch Elektromotoren. Bremssignale vom Pedal zum E-Motor werden ebenfalls rein elektrisch übertragen, weshalb das Unternehmen von einem „trockenen Brake-by-Wire“ spricht.

Holdmann ist davon überzeugt, dass sich in neuen und zukünftigen Fahrzeugplattformen die elektrische und elektronische Architektur massiv verändern wird. Die wichtigsten Softwarefunktionen werden dabei in einigen Domänen- oder Zonencontrollern gebündelt.

Der ZF-Vorstand geht davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Fahrzeugplattformen ab 2025 zonal- und domänengesteuert abgebildet werden. Diese Entwicklung ermögliche den Kunden, aber auch ZF als Systemlieferanten, die Aktuatoren (Elektromotoren oder elektrische Ventile) gezielter ansteuern zu können.