Opel hat sich früher als andere deutsche Autobauer auf einen klaren Elektrifizierungskurs festgelegt. "Wir werden ab 2028 in Europa ausschließlich elektrische Fahrzeuge anbieten", hatte Vorstandschef Florian Huettl erstmals bei der Vorstellung des Astra Electric im Frühjahr 2023 verkündet. Schon vom kommenden Jahr an sollen alle neuen Modelle elektrifiziert sein.
Opel-Chef Huettl: "Fahrzeuge sind durch und durch 'made in Germany'"
Obwohl alle neuen Plattformen Entwicklungen des Stellantis-Konzerns sind, betont die Marke ihre deutsche Identität und wirbt mit "German Engineering für alle".
Das bedeutet: Neu entwickelte Opel-Modelle werden ab 2025 nicht mehr als Verbrenner, PHEVs oder MHEVs angeboten, sondern nur noch als reine BEVs. Die Modelle allerdings, die bis dahin als Verbrenner, Plug-in oder Mildhybrid gelauncht wurden, bleiben auch als solche vorerst im Angebot – bis auch für sie in Europa 2028 das Glöcklein läuten soll. Auf außereuropäischen Märkten jedoch werden solche Antriebe weiterhin verfügbar sein.
Vor Kurzem schloss der Autobauer die letzten Lücken im BEV-Portfolio. Mit dem neuen Frontera und dem neuen Flaggschiff Grandland wurden auch die verbliebenen Baureihen mit einer vollelektrischen Variante versehen.
Der Mitte Mai präsentierte Frontera hat eine zentrale Aufgabe bereits erfüllt: Die Elektro-Ausführung startet bei rund 29.000 Euro, womit sie ab Herbst das günstigste deutsche E-Auto sein wird.
Opel-Chef Huettl bezeichnete das neue Modell bei der Vorstellung in Istanbul denn auch als "German Engineering für alle". Das klingt gut, doch wie "deutsch" ist Opel wirklich? Huettl hat darauf eine klare Antwort: "Die Plattformen kommen vom Konzern, doch die Fahrzeuge sind dennoch durch und durch 'made in Germany'."
Beispiel Grandland: "Der neue Grandland wurde designt, entwickelt und wird gebaut in Deutschland. Das ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr." Darauf könne man durchaus stolz sein. Huettl: "Wir haben es mit dem Grandland geschafft, zu konkurrenzfähigen Kosten in Deutschland zu produzieren."
Für das Unternehmen gibt es keinen Widerspruch zwischen identischen Plattformen und Eigenständigkeit. "Als die einzige deutsche Marke innerhalb von Stellantis steht Opel für Werte der deutschen Ingenieurskunst: Qualität, Präzision, Fahrdynamik – und das dank Konzernsynergien zu vernünftigen Preisen", lautet das Credo.
Die Ingenieure in Rüsselsheim ließen die Plattformen schließlich auch nicht unverändert, wie Opel betont: "Durch eine marken- und fahrzeugspezifische Integration und Kalibrierung der Komponenten stellen unsere Ingenieure das Opel-typische Fahrzeugerlebnis sicher." Konkret stimmt Opel Komponenten des Fahrwerks und der Lenkung ab. Ein Beispiel ist die Technologie "Frequency Selective Damping"(FSD), die in den Opel-GSe-Modellen für eine besondere Fahrdynamik sorgt.
Im Lastenheft des Antriebsstrangs steht bei Opel zudem eine besonders hohe Energieeffizienz und Reichweite. Die Entwickler achten deshalb genau auf Aerodynamik und Gewicht. Als gelungenes Beispiel dafür nennt Opel den Astra Electric. Mit einer Reichweite von 418 Kilometern und einem Energieverbrauch von 15,5 kWh pro 100 Kilometer nach WLTP bei einem Gewicht von 1736 Kilogramm ist der Astra Electric eines der leichtesten Elektrofahrzeuge seiner Klasse.
Angesichts der zwei bedeutenden Neuheiten ist Huettl trotz aller gegenläufigen Entwicklungen optimistisch für das laufende Jahr. "2023 war das beste Jahr seit 20 Jahren, und wir werden auch 2024 auf einem klaren Aufwärtskurs bleiben", sagte er jüngst der Automobilwoche.
Für ihn gehört Opel zu den Profiteuren der Transformation. "Das haben wir gewusst, und das wird jetzt immer sichtbarer." Deshalb hält Huettl auch unbeirrt am Elektro-Kurs fest: "An unserem Plan hat sich nichts geändert. Die Modelle dafür sind längst in der Entwicklung. Wir sind absolut zuversichtlich, dass das der richtige Weg ist."
2023 stieg der Opel-Absatz weltweit um 15 Prozent auf 670.000 Fahrzeuge. Die reinen BEV-Verkäufe kletterten um 22 Prozent auf rund 90.000 Einheiten.
Eine kaum zu unterschätzende Herausforderung für Opel ist jedoch der Wettbewerb mit den chinesischen Herstellern. Das gilt besonders für den Preis. Da habe Opel noch Arbeit vor sich, räumt Huettl ein. "Unsere Elektroautos müssen für unsere Kunden bezahlbar bleiben. Ein Auto um die 25.000 Euro ist unser Ziel."
Wann ein solcher Opel kommt, darüber schweigt sich der Opel-Chef noch aus. "Unser elektrisches Einstiegsmodell wird mit der nächsten Generation der dann rein elektrischen Plattform kommen. Wir stehen mitten in der Entwicklung."
Bei allem Optimismus kann Huettl nicht leugnen, dass Opel und die Stellantis-Gruppe jüngst einen Rückschlag ihrer Elektrifizierungsstrategie erlitten haben. Der Batterie-Partner Automotive Cells Company (ACC), ein Joint Venture von Stellantis, TotalEnergies und Mercedes, stoppte Anfang Juni bis auf Weiteres den Bau der geplanten Batteriefabrik in Kaiserslautern, ebenso den Bau einer dritten ACC-Fabrik im italienischen Termoli.
ACC spricht von einer "Pause". Ursprünglich sollte das Werk in Kaiserslautern Anfang 2025 in Betrieb gehen. Im Sommer 2023 hatten die Partner ihr erstes Werk im nordfranzösischen Billy-Berclau in Betrieb genommen. Grund für die "Pause" ist aber weniger der gebremste Hochlauf der E-Mobilität in Deutschland. Vielmehr trat der mächtige Stellantis-CEO Carlos Tavares beim Batterie-Ausbau auf die Bremse.
Er war dem Vernehmen nach nicht mehr bereit, angesichts zunehmender chinesischer Konkurrenz in Europa weitere Milliarden in den Aufbau von Zellfabriken zu stecken, die auf der teuren NMC-Zellchemie basieren. Die meisten chinesischen Wettbewerber setzen im Volumensegment, in dem auch Stellantis unterwegs ist, auf die günstige LFP-Technologie. Deshalb lotet Stellantis seit Ende 2023 beim chinesischen Batterie-Riesen CATL aus, ob man gemeinsam eine LFP- Batterie bauen kann.
Sicher ist: Opel wird sein wichtiges Projekt 25.000-Euro-EV erst dann fertig entwickeln können, wenn die günstigeren LFP-Zellen zur Verfügung stehen.