Schlechte Zahlen: Mercedes will "jeden Stein umdrehen"

Ein Gewinneinbruch im Pkw-Geschäft um zwei Drittel und ein mickrige Rendite von 4,7 Prozent: Das dritte Quartal lief alles andere als gut für Mercedes. Der Börsenkurs gab am Morgen um mehr als zwei Prozent nach, erholte sich dann aber.

Finanzchef Harald Wilhelm sprach in einer Telefonkonferenz mit Journalisten von einem "nicht akzeptablen" Ergebnis. Gleichzeitig zeigte er sich entschlossen, Mercedes perspektivisch wieder in die Erfolgsspur zurückzuführen. Dabei soll eine ganze Reihe von Maßnahmen helfen, die in den kommenden Monaten umgesetzt werden sollen – auch von einer Strategieanpassung war die Rede.

Der wichtigste Baustein sind die Kosten. "Wir werden jeden Stein umdrehen", versprach Wilhelm. Obwohl im Vergleich zu 2019 bereits große Fortschritte erzielt worden seien, wolle man nun noch einen Schritt weiter gehen. Alles werde überprüft. So könnten Kapazitäten in den Werken angepasst werden.

Es gehe um verstärkte Standardisierung bei den Fahrzeugen sowie im Einkauf. Die weitere Lokalisierung des Lieferantennetzwerks in China sei ebenfalls ein Thema. Zu möglichen Personalanpassungen wollte sich Wilhelm nicht äußern. Aber auch dies seien Fixkosten, sagte er auf eine entsprechende Frage.

Mercedes hatte von Juli bis September mit einer Reihe von ungünstigen Faktoren zu kämpfen, die den Gewinn deutlich schmälerten. Neben weniger verkauften Fahrzeugen im Top-Segment rund um die S-Klasse in China und einer Räumung der Lagerbestände bei elektrischen Fahrzeugen machten der Marke mit dem Stern auch Modellwechsel wie etwa bei der G-Klasse zu schaffen.

Hinzu kamen Unterstützungen für Händler in China und Kompensationen für Zulieferer wegen gestiegener Materialkosten in jeweils dreistelliger Millionenhöhe. Auch viele Rückrufe trieben die Kosten in die Höhe.

Auch bei den Investitionen werde in Zukunft genauer hingeschaut. Zwar muss Mercedes zusätzliches Geld in die Hand nehmen, da das Verbrenner-Portfolio länger frisch gehalten wird als zunächst geplant. Dies erhöht wiederum die Variantenvielfalt und Komplexität.

Trotzdem soll dies kein Kostentreiber sein. "Wir werden hier ganz genau priorisieren und schauen, ob es wirklich notwendig ist", so Wilhelm. Die Planungen für den Antrieb würden so angepasst, dass Kunden in jedem Segment zwischen rein elektrischen Fahrzeugen und effizienten Verbrennern auswählen könnten.

Große Hoffnungen setzt Wilhelm auf die kommende Produktoffensive. Als erstes Modell auf der neuen Modellplattform MMA soll im nächsten Jahr der CLA Premiere feiern. Damit habe man ein außerordentlich wettbewerbsfähiges Fahrzeug im Markt mit großer elektrischer Reichweite.

Es verfügt über das neue Betriebssystem MB.OS sowie automatisierte Fahrfunktionen auf der Stufe 2 plus, was in der Regel bedeutet, dass der Fahrer über längere Zeiträume die Hände vom Steuer nehmen kann. Danach folgten elektrische C-Klasse und GLC sowie ein elektrischer AMG und Facelifts bei S-Klasse und GLE.

Auf den Einwand, dass die neuen Modelle entgegen der verfolgten Luxus-Strategie eher in den unteren Segmenten angesiedelt sind und wohl niedrigere Margen erzielen werden, verwies Wilhelm auf die Höherpositionierung der Kompaktklasse. So habe man die Modellvarianten von sieben auf vier reduziert.

Nach dem CLA werden ein CLA Shooting Brake sowie GLA und GLB folgen. Zwar soll es weiterhin Einstiegsmodelle geben, der Fokus liege aber auf den gut ausgestatteten, höherwertigen Fahrzeugen etwa mit großer Batterie und üppiger Ausstattung. "Im Mix zeigt der Trend nach oben", so Wilhelm.

Mit elektrischer C-Klasse und GLC soll endlich auch der wachsende Markt an Elektrofahrzeugen in China bedient werden können. Hier hat Mercedes bisher vor allem Luxusfahrzeuge wie EQS oder EQS SUV im Angebot, die aber bei den Käufern keinen Anklang finden und zu teuer sind.

Wilhelm nannte als Erklärung, dass viele betuchte Chinesen in den vergangenen Monaten wegen des schwachen Immobilienmarktes Vermögen verloren hätten. "In dieser Situation kauft man sich kein Auto." Trotz der aktuell schwachen Absatzzahlen sei die Produktsubstanz von Mercedes nach wie vor gut.

"Wir sind gut aufgestellt, um diesen Markt weiter bedienen zu können." Mittelfristig sieht Wilhelm trotz der wachsenden Konkurrenz chinesischer Hersteller gute Wachstumschancen. "Das Potenzial ist überhaupt nicht eingeschränkt."

An der eingeschlagenen Luxus-Strategie will Mercedes auch in Zukunft festhalten. Man wolle nicht auf Volumen gehen, sondern das volle Potenzial dieser Strategie heben, kündigte Wilhelm an. So werde gerade überlegt, wie aus der anstehenden Produktoffensive das Maximum an Profit herausgeholt werden könne.

Dazu werde es im ersten Quartal 2025 eine Präsentation der überarbeiteten Strategie geben. Ein wesentlicher Teil dürfte die stärkere Individualisierung der Fahrzeuge sein, mit denen Mercedes bisher schon gute Erfahrungen gemacht hat, etwa bei den hochpreisigen Maybach- oder AMG-Varianten. Es dürfte kein Zufall sein, dass am 5. Dezember in Sindelfingen eine neue Manufaktur eröffnet werden soll.

Noch unklar ist, ob Mercedes im kommenden Jahr seine CO2-Ziele erreichen wird. Im Vergleich zu 2023 muss Mercedes nach Berechnungen der Umweltorganisisation ICCT eine der höchsten Reduzierungen in der Branche erreichen. Der Ausstoß der Neuwagen muss von 109 Gramm CO2 pro Kilometer auf 91 Gramm sinken.

Da in den ersten neun Monaten des Jahres der BEV-Absatz um 22 Prozent zurückgegangen war, dürften die Ziele im nächsten Jahr noch schwerer zu erreichen sein. "Wir wollen die CO2-Ziele erreichen", bekräftigte Wilhelm. Mut mache die zuletzt gestiegene Nachfrage nach Plug-In-Hybriden. Auch bei rein elektrischen Fahrzeugen soll es einen Schub geben.

Ob dies am Ende ausreiche, müsse man sehen. "Wenn das Risiko von Strafzahlungen besteht, gibt es noch die Möglichkeit des Poolings", so Wilhelm. Nach 2026 sei die Erreichung der Ziele mit den neuen Fahrzeugen dann voraussichtlich kein Thema mehr.