Leasingchaos bei VW

Eine Sonderleasingaktion von VW sorgt in vielen Autohäusern für demotivierte Verkäufer und unzufriedene Kunden. VW hatte im Rahmen seiner "Cyber Weeks" am Freitag vergangene Woche (10. November) ein Leasingangebot für Gewerbekunden mit einem Leasingzins von 0,01 Prozent aufgelegt. Für den Golf und Passat, bei denen bald eine Produktaufwertung ansteht, gab es zusätzlich noch eine Sonderprämie. Vor allem beim Golf wurden durch die Kombination der beiden Bausteine extrem niedrige Raten möglich.

Schon wenige Stunden nach Start der Aktion gingen Händler mit Golf-Kampfpreisen aggressiv auf Kundenfang. Die Jacobs-Gruppe beispielsweise bot ihren Firmenkunden den VW-Golf R-Line im Zweijahresleasing mit 1.000 Euro Anzahlung für lediglich 49 Euro an. Basismodelle seien mit 1.000 Euro Anzahlung sogar für 29 Euro erhältlich gewesen, berichtet ein Händler, der anonym bleiben will. "Dem VW-Vertrieb war offensichtlich nicht klar, welche Raten Händler damit kreieren können." Er selbst habe alle seine Verkäufer von den anderen VW-Konzernmarken abgezogen und ans Telefon gesetzt, um den Golf zu vermarkten. Die Folge sei ein beispielloser Kundenansturm gewesen. "Die darstellbaren Raten waren viel zu niedrig", sagt ein weiterer Händler im Rückblick.

Ebenso schnell wie die Bestell-Lawine losgetreten wurde, war sie auch wieder vorbei. Bereits am Montag (13. November) informierte VW in einem internen Rundschreiben, das der Automobilwoche vorliegt, seine Händler, dass die verbleibenden Produktionskapazitäten erster Motor- und Getriebevarianten beim Golf ausverkauft seien. Daher gebe es ein sofortiges Bestellende. "Die Aktion läuft bis zum 31.12.2023. Allerdings ist aufgrund der nicht vorhersehbaren, überwältigend hohen Nachfrage durch Handel und Kunde der Golf nicht mehr in allen Motorvarianten verfügbar", bestätigte eine VW-Sprecherin am Dienstagnachmittag. Bereits am Abend desselben Tags waren dann nach Händlerberichten auch die restlichen Varianten nicht mehr verfügbar. "Alle Golf-Modelle sind komplett ausverkauft", berichtet ein Autohaus-Geschäftsführer.

Bereits in seinem Rundschreiben vom Montag sprach VW davon, dass es von Freitag bis Montag Bestellungen im fünfstelligen Bereich gegeben habe. Zum Vergleich: Im gesamten Oktober kam VW auf rund 35.000 Neuzulassungen.  Glaubt man den Berichten aus dem Handel, dürfte ein Großteil der Bestellungen auf den Golf entfallen – denn die übrigen VW-Modelle sind im Vergleich deutlich teurer: Den Polo gibt es etwa für 150 bis 170 Euro.

Viele Händler stehen angesichts des jähen Endes der Aktion nun vor erheblichen Problemen. "Wir haben eine Riesenaufregung im VW-Vertrieb", sagt der VW-Partner. Der Grund: Die Kunden der Händler haben einen Leasingvertrag unterzeichnet, den die Händler dann zur Prüfung und Bestätigung bei der VWFS-Tochter Volkswagen Leasing eingereicht haben. Erst wenn diese vorliegt, lösen Händler in der Regel die Bestellung aus. In vielen Fällen war der Golf jedoch bereits ausverkauft, bevor diese Bestätigung vorlag. Die von Kunden unterzeichneten Verträge sind damit Makulatur. "Wir machen uns gerade vor unseren Kunden lächerlich", schimpft der erste Händler, der wie seine Kollegen nun den Kunden die Hiobsbotschaft überbringen muss.

Mindestens ebenso unglücklich sind die Verkäufer, deren Überstunden sich nun als nutzlos erwiesen haben. "Ich habe die Köpfe meiner Verkaufsmannschaft noch nie so weit unten gesehen", sagt der Autohaus-Geschäftsführer. Eine dreistellige Anzahl an Verkäufen sei ihm als mittelgroßen VW-Partner durch die Lappen gegangen.

Einige Händler könnten jedoch als große Gewinner aus der Aktion gehen. Gerüchten aus Händlerkreisen zufolge haben einige VW-Partner den Bestellansturm antizipiert und auf Verdacht für Tochterfirmen Golf-Modelle bestellt. Sobald dann ein "echter" Auftrag eines Firmenkunden im Rahmen der Aktion vorliegt, kann dann die bereits getätigte Bestellung mit der Leasingaktion auf diese umgeschrieben werden. "Vor allem Händler im Westen haben Gas gegeben", sagt der Autohaus-Geschäftsführer.

Dass die Aktion so aus dem Ruder lief, liegt nach Ansicht von Händlern an gravierenden handwerklichen Fehlern. So habe es VW versäumt, Mengengrenzen einzuziehen. Zum Beispiel indem die Zahl der Fahrzeuge mit den Sonderkonditionen an die Jahresverkaufsziele der einzelnen Händler gekoppelt wurden. "Die haben bei VW vom Vertrieb keine Ahnung", sagt der Händler kopfschüttelnd.

Aus dem Datencenter:

Die 100 größten Autohandelsgruppen in Deutschland nach Gesamtabsatz 2022