Geschäftsmodell Treuhänder

Autonom fahrende Autos könnten in einigen Jahren Alltag sein. Schon heute bietet Mercedes in Modellen wie dem EQS hochautomatisiertes Fahren auf Level 3, BMW zieht mit dem Fünfer bald nach. Sobald vermehrt Autos mit Autopilot unterwegs sind, werden sie auch in Unfälle verwickelt sein. Dabei wird sich die Frage stellen: Wer ist verantwortlich - Mensch oder Maschine?

Um das zu klären und die Sicherheit solcher Systeme überprüfen zu können, haben sich die deutschen Prüforganisationen 2020 erstmals für ein sogenanntes Trust Center starkgemacht. Dabei handelt es sich um eine Art Datentreuhänder, der den dazu berechtigten Akteuren einen diskriminierungsfreien, neutralen, sicheren und standardisierten Zugang zu den Fahrzeugdaten ermöglicht. Seitdem hat sich in der Sache wenig bewegt. Bis jetzt.

TÜV Rheinland bereitet aktuell den Start eines Datentreuhänders vor. Zunächst zwar für den freiwirtschaftlichen Bereich, doch die Perspektive ist klar: "Mit unserem Trusted Data Center liefern wir dem Gesetzgeber ein Proof of Concept, dass ein Trust Center für Fahrzeugdaten im hoheitlichen Bereich umsetzbar ist", sagt Karl Obermair, Direktor Future Mobility bei TÜV Rheinland.

Zielgruppe für das kommerzielle Trusted Data Center sind Flottenbetreiber. Dabei fungiert TÜV Rheinland als Treuhänder, bei dem die Fahrzeugdaten der Flotten landen. Über diesen erhält dann der Flottenbetreiber Zugriff auf bestimmte Datensätze, sofern der Dienstwagenfahrer den Zugriff auf diese zuvor genehmigt hat. Ein Beispiel sind Verbrauchsdaten und Fahrstrecken eines Autos. Diese können Flottenmanagern helfen, ihren Fuhrpark zu optimieren. Weil sich aus den Infos allerdings auch individuelle Bewegungsprofile erstellen lassen, hätten viele Dienstwagenfahrer und Betriebsräte Bedenken, die Daten herauszugeben, erklärt Obermair. Das Trusted Data Center könne das auflösen, indem Daten auf Wunsch der Dienstwagenfahrer nur anonymisiert weitergegeben werden.

Laut einer Studie der Universität St. Gallen von 2020 steigern unabhängige und glaubwürdige Treuhänder sogar die Chance, dass Verbraucher bereit sind, Daten preiszugeben. "Unser Trusted Data Center bringt Datennutzung und Datenschutz zusammen", sagt Obermair. TÜV Rheinland garantiere dabei DSGVO-Konformität und sei dafür in der Haftung.

Aktuell befindet sich das Trusted Data Center in der Testphase mit zwei Flottenbetreibern und 270 Fahrzeugen. Einen konkreten Starttermin gibt es noch nicht. Dass das Geschäftsmodell aufgeht, davon zeigt sich Obermair jedoch überzeugt: "Durch unsere Services können Flottenbetreiber viel Geld sparen. Ein Teil dieser Ersparnis fließt als Nutzungsgebühren an uns." Zugleich sei man gerüstet, wenn Datentreuhänder auch im hoheitlichen Bereich, sprich für gesetzlich geregelte Aufgaben wie die Hauptuntersuchung, eingeführt werden sollten.

Gerade hier dürfte TÜV Rheinland allerdings in Konflikt mit anderen Prüfdiensten geraten. Naheliegenderweise plädieren die Kölner für eine dezentrale Lösung -sprich jeder Prüfdienst betreibt sein eigenes Trust Center. "Wir setzen uns beim Trust Center für einheitliche Regeln und eine dezentrale Umsetzung ein", sagt Obermair.

Ganz anders sieht man das beim Prüf-Konkurrenten KÜS. "Angestrebt wird von der KÜS, dass die HU-bezogene Zugriffsrechtverwaltung in den Händen eines unabhängigen, von den Prüforganisationen betriebenen Trust Centers liegt", teilt diese mit. Der Aufbau eines erweiterten eigenen Trust Centers der KÜS außerhalb der HU stehe aktuell nicht im Fokus, heißt es dementsprechend weiter. Die Möglichkeiten, eine eigene Vertrauensstelle aufzubauen, hätte die KÜS -die Prüforganisation betreibt seit einigen Jahren als IT-Dienstleister ein Hochsicherheits-Rechenzentrum. Angesichts dieser Ausgangslage dürfte die bisher geschlossene Front der Prüfdienste beim Thema Fahrzeugdaten sichtbare Risse bekommen, sobald sich der Gesetzgeber zu einer Regelung für den Zugang zu Fahrzeugdaten durchringt. Die ersten Unfälle mit hochautomatisierten Autos sind bis dahin vermutlich längst passiert.