Von Michael Gerster
Mit dem Pariser Klimaabkommen hat die Weltgemeinschaft eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Wenn die Erderwärmung aufgehalten werden soll, dann müssen fossile Kraftstoffe verbannt werden. Seither haben die Autohersteller in Europa Hunderte von Milliarden in die Entwicklung von Elektroantrieben gesteckt, um saubere Mobilität zu ermöglichen. Mit ihrer anspruchsvollen CO2-Regulierung samt drohenden Strafzahlungen hat die Europäische Union diese Investitionen befördert. Das war auch gut so. Die Zeit des Verbrenners wird ablaufen, daran wird sich nichts mehr ändern.
Diskussionswürdig sind aber die engen zeitlichen und technologischen Vorgaben, mit denen die Brüsseler Politik Europas wichtigsten Industriezweig seit Jahren drangsaliert. So wurde der batterieelektrische Antrieb mit einer unerklärlichen ideologischen Verbissenheit zur CO2-neutralen Antriebstechnologie erklärt, ohne aber die Auswirkungen in der Lieferkette und Produktion ebenfalls unter die Lupe zu nehmen.
Wenn für die Batterieherstellung Strom aus Braunkohle verwendet wird, dann spielt das in der CO2-Bilanz für die Flottenziele bisher keinerlei Rolle. Umgekehrt werden E-Fuels als mögliche klimaneutrale Alternative verteufelt, weil sie angeblich zu teuer sind und einen schlechteren Wirkungsgrad haben. Das aber kann der Markt besser regeln als Brüsseler Bürokraten.
Genauso ideologisch ist das sture Festhalten an einem fixen Ausstiegstermin für den Verbrenner, obwohl die Kunden beim Umstieg nach wie vor zögern und in wichtigen Regionen wie etwa Brasilien Alternativen wie Ethanol die Elektromobilität noch auf Jahre ausbremsen werden. Technologien setzen sich nicht durch Verbote durch, sondern durch die Akzeptanz von Verbrauchern.
In dem Moment, in dem Antrieb, Ladezeit, Reichweiten und Ladeinfrastruktur sowie vor allem der Preis stimmen, werden die Verbraucher von allein zugreifen. Vielleicht geschieht dies mit den neuen Plattformen ab 2025, vielleicht aber erst ein paar Jahre später. Flexibilität ist das Gebot der Stunde. Die EU muss sich daher vom Datum 2035 verabschieden, wenn sie nicht industriepolitischen Selbstmord begehen will.
Denn bisher profitiert von den rigiden Vorgaben hauptsächlich China. Das Land hat sich mit systematischer Förderung einen Vorteil beim Elektroantrieb erarbeitet, nachdem es den Rückstand bei der Verbrennertechnologie nicht aufholen konnte. Jetzt drücken die vielen neuen Anbieter ihre Autos günstig in den europäischen Markt und sammeln zum Teil gleichzeitig noch das Rest-Geschäft mit Verbrennungsmotoren ein, von denen sich die europäischen Hersteller sukzessive zurückziehen.
Es wäre daher nur fair, wenn der Übergang zur neuen Ära der Elektromobilität etwas gestreckt würde. Das bedeutet keine Abkehr vom Ziel der CO2-Neutralität. Aber es würde den heimischen Herstellern ermöglichen, sich mit dem Geld aus dem Verbrenner-Geschäft eine noch bessere Position für die Ära der Elektromobilität zu erarbeiten und die Industrie insgesamt zu stärken.