Die Kfz-Handelsbranche schrumpft, die Feser-Graf-Gruppe wächst – so schnell wie kein anderer Händler. Vor fünf Jahren hatte der Mehrmarkenhändler noch einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro. Jetzt steuert er die Drei-Milliarden-Grenze an. Die beiden Geschäftsführer Till Heinrich und Markus Kugler haben noch mehr vor.
Interview - Autohausgruppe Feser-Graf: "Das Positive bei der Agentur überwiegt"
Feser-Graf ist in kurzer Zeit zur zweitgrößten Autohausgruppe Deutschlands aufgestiegen. Die Geschäftsführer Till Heinrich und Markus Kugler äußern sich im Interview mit der Automobilwoche zu ihrer Strategie.
Trauer um Udo Feser
Am 24. Juli starb der langjährige Firmenchef Udo Feser im Alter von 92 Jahren. Feser gründete 1958 ein VW-Autohaus in Schwabach und legte damit den ersten wichtigen Grundstein für die heutige Feser-Graf Gruppe. Gerade seinem Einfluss sei es zu verdanken, dass sich das Unternehmen zu einer der größten Autohausgruppen Deutschlands entwickelt hat, lobt das Unternehmen in einem Nachruf.
In seiner Freizeit engagierte sich Feser im Rennsport und sammelte Oldtimer, die seit 2023 im Museum "Feser Tradition" in Schwabach zu sehen sind.
Herr Kugler, die ersten sechs Monate 2024 sind durch. Wie lautet Ihr Fazit?
Kugler: Wir sind mit dem ersten Halbjahr zufrieden. Die Auftragseingänge für Neuwagen haben über alle Marken hinweg zugelegt. Elektromobilität kommt in Flotten gut an, weil die Unternehmen ihre CO2-Ziele erreichen wollen. Wir verkaufen deutlich mehr Elektroautos als im vergangenen Jahr. Und auch Gebrauchte sind gefragter als 2023. Allerdings lassen die Gewinne nach.
Was erwarten Sie für die zweite Jahreshälfte?
Kugler: Es wird anspruchsvoller. Bei Flottenkunden rechnen wir weiter mit guten Auftragseingängen für Elektroautos. Aber seit dem Bafa-Aus zeigen Privatkunden an BEVs weniger Interesse. Es gibt momentan kaum Anzeichen, dass sich dies ändert.
Herr Heinrich, 2023 kamen Sie auf Erlöse von 2,75 Milliarden Euro. Knacken Sie 2024 die Drei-Milliarden-Grenze?
Heinrich: Mit den Schatten-Umsätzen aus dem Agenturgeschäft kommen wir in diese Richtung.
Vor fünf Jahren hatten Sie noch einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro. Kein Händler wächst so schnell. Woran liegt das?
Kugler: Getragen durch die Hersteller haben sich die Netze konsolidiert. Das haben wir genutzt. Anders als einige Wettbewerber sind wir kein reiner VW-Konzernhändler mehr. Wir haben neue Marken wie Jaguar und Land-Rover, Hyundai und Kia sowie MG hinzugenommen. Das sind sehr stückzahlträchtige Fabrikate, die zu unserer Entwicklung beigetragen haben.
Jetzt steht die Feser-Graf-Gruppe bei 72 Betrieben. Wo ist die Grenze?
Kugler: Es ist nicht unser Ziel, auf 100 Betriebe zu kommen. Wir expandieren nur, wenn es Sinn macht. Grenzt das Autohaus an unser Marktgebiet? Passt die Marke? Wenn beides zutrifft, beschäftigen wir uns damit.
Hintergrund
Seit ihren Anfängen als Motorradwerkstatt im Jahr 1929 ist die Autohausgruppe Feser-Graf mit einem Umsatz von zuletzt 2,75 Milliarden Euro zur zweitgrößten Autohausgruppe Deutschlands gewachsen. Die mehr als 2700 Mitarbeiter verkauften 2023 an 72 Standorten über 85.000 Autos von 19 Marken und zählten 600.000 Werkstattdurchgänge.
Im Gespräch mit der Automobilwoche sagten sie 2019, dass Sie anders als Mitbewerber nicht die Strategie hätten, sich vogelwild mit verschiedenen Marken auszubreiten. Haben Sie die Strategie geändert?
Kugler: Eben nicht. Wir sind unserer Strategie treu geblieben. Wir sind in Nordbayern und Sachsen-Anhalt. Rund um Nürnberg hat unsere Expansion stattgefunden. Beispiel Kia: Die Marke haben wir vor zwei Jahren dazugenommen, das war eine gute Ergänzung zu unserem VW-Portfolio. Wir haben die Marktverantwortung im gesamten Großraum Nürnberg übernommen. Das bietet uns Potenziale zu wachsen.
Heinrich: Wenn wir ein Autohaus hinzugenommen haben, war es oft ein kleinerer Betrieb, der für uns eine sinnvolle strategische Erweiterung war. Die neuen Marken hatten in der Regel ein anderes Evolutionsspektrum als der VW-Konzern. Kia und Hyundai expandieren stark. Von chinesischen Marken gibt es mittlerweile auch ein breites Angebot, hier haben wir uns für MG entschieden. Sie haben aus unserer Sicht das schlüssigste Konzept. Mit Jaguar Land Rover und Bentley runden wir unser Premium-Angebot nach oben ab.
Vor 2018 haben Sie nur VW-Konzernmarken vertrieben. Welchen Anteil machen die Marken heute aus?
Heinrich: Zu unseren Stückzahlen und Umsätzen steuern die VW-Konzernmarken mehr als drei Viertel bei.
Warum war eine Öffnung für neue Marken notwendig?
Kugler: Die Kunden verhalten sich anders als vor 20 Jahren. Damals hatte man mit 18 den Führerschein gemacht, dann den ersten gebrauchten Golf gekauft. Je nach Alter und Lebenssituation hat man ein anderes VW-Modell gewählt. Die Zeiten sind vorbei. Kunden sind heute offen für alle Marken. Wenn ich einen großen Regionalmarkt bedienen will, muss ich mich auch mit anderen Marken beschäftigen. Zwischen Volkswagen und unseren anderen Marken gibt es aus unserer Sicht keine großen Überschneidungen. Man könnte die Öffnung auch als Reaktion und Strategieänderung auf die Agenturumstellung lesen, die VW 2020 eingeführt und zuvor verhandelt hat.
Kugler: Wir verstehen uns nach wie vor als VW-Konzernhändler. Die Hinzunahme neuer Marken sehen wir nicht als Strategieänderung, sondern als Ergänzung unseres Portfolios.
Wie stehen Sie zur Agentur?
Kugler: Für uns ist das kein kriegsentscheidendes Thema. Es gibt Händler, die das als Margenkürzung oder Entmündigung sehen. Für uns überwiegen die positiven Seiten. Die Zinslast auf die Fahrzeuge fällt genauso weg wie der Lagerdruck.
Sie sehen die Agentur positiv?
Heinrich: Wir sehen das entspannt. Beim Pricing hatten wir zunächst große Bedenken. Aber in Teilen der Marken hat sich dies nach anfänglichen Schwierigkeiten gut eingespielt. Die Hersteller bauen nach und nach die Kompetenz auf.
Der VW-Partnerverband sagt, dass von den versprochenen Einsparungen bei den Händlern noch nichts angekommen ist.
Kugler: Da sehen wir nicht so. Es gibt durchaus Vorteile in der Agentur wie die Vorfinanzierung der Fahrzeuge und die Wiedervermarktung von gebrauchten E-Autos. Egal ob Agentur oder selektiver Vertrieb – für Händler ist es entscheidend, dass sie ein wirtschaftlich erträgliches Geschäft betreiben können. Klappt dies, haben wir nichts gegen eine Agentur.
Heinrich: Die Agentur wurde mit dem Versprechen eingeführt, die Komplexität zu reduzieren und die Prozesskosten zu senken. Die Gewinne daraus sind noch nicht bei uns angekommen. Das liegt daran, dass wir zwei Systeme haben – das Handelssystem bei Verbrennern und die Agentur bei BEVs. Zweigleisig zu fahren ist nicht das, was wir wollen. Da könnte es aus unserer Sicht schneller gehen. Auch bei Schnittstellen, Systemlandschaften und Digitalisierung ist noch einiges zu tun. Wir verlassen uns darauf, dass die Zusagen von VW eingehalten werden.
Begrüßen Sie die von Volkswagen geplante Ausweitung zur Vollagentur?
Kugler: Grundsätzlich ist das Autogeschäft ertragsschwächer und kapitalintensiver als viele andere Branchen. Wenn man die Finanzierung rausnimmt und die Marge nicht komplett verschiebt, ist das für uns nicht von Nachteil.
Heinrich: Zugleich muss die Preiskompetenz schnell aufgebaut und die Prozesskosten gesenkt werden. Wir brauchen durchgängige Schnittstellen aus dem Verkauf in die Produktionswirtschaft. Dann kann eine Ausweitung funktionieren. Klar ist, wir verschieben einen Teil unseres Geschäftsmodells zum Hersteller. Aber letztlich entscheidend ist das Produkt, das wir verkaufen.
In der BEV-Agentur erhalten VW-Partner vier Prozent fix und zwei Prozent flexibel. Reicht das?
Heinrich: Mit den sicheren vier Prozent können wir unsere Kosten für Marketing, Personal und Schauräume nicht decken. Die Ausgaben für Dispo, Verwaltung, Fuhrpark und Neubauten kommen noch hinzu.
Und mit sechs Prozent?
Heinrich: Da ist es wichtig, die Prozesskosten zu senken, andere Dinge wie Probefahrten müssten stärker subventioniert werden. Die ganzen betrieblichen Prozesse, die wir heute haben, beruhen auf der Basis einer Systemlandschaft, die uns der Hersteller vorschreibt. Wenn man diese entschlackt, kann man Kostenvorteile heben und entsprechend aufteilen. Aus heutiger Sicht sind die sechs Prozent entschieden zu niedrig. Zumal die flexiblen zwei Prozent die Gefahr bergen, auf Gedeih und Verderb dem Hersteller ausgeliefert zu sein.
Wie viel ist notwendig?
Heinrich: Mit fixen sechs Prozent können wir unsere Prozesskosten decken. Dann sollte man mit der Erfüllung seiner Ziele auch noch Geld verdienen können. Sechs plus drei Prozent wäre aus unserer Sicht eine Mindestvariante.
Bei Hyundai erhalten Sie im Händlersystem eine Grundmarge von sechs Prozent. Kosten und Risiken liegen bei Ihnen. Wie wollen Sie da Geld verdienen?
Kugler: Dass sich Hyundai-Händler, die schon lange dabei sind, darüber ärgern, kann ich nachvollziehen. Wir haben den Vertrag unterschrieben, als wir die Konditionen bereits kannten. Wir wollten Hyundai und müssen jetzt das Geschäft auf- und ausbauen.
Andere Händler gehen zunehmend aus ihrem Kerngeschäft raus und verkaufen beispielsweise Fahrräder oder ähnliches. Ist das eine Alternative?
Kugler: Mit der Übernahme des örtlichen Ducati-Händlers sind wir 2021 ins Motorradgeschäft eingestiegen. Als VW-Konzernmarke ist Ducati für uns eine gute Ergänzung. Triumph haben wir gleich mitbekommen. Wir sind nicht unglücklich mit dem Geschäft. Motorradkäufer kommen noch häufiger zum Händler. Den einen oder anderen können wir auch für ein Auto begeistern. Aber andere Geschäftsfelder sind für uns kein Thema.
Wo sehen Sie dann noch Potenziale?
Kugler: Alles rund um das Produkt Automobil ist für uns ein Thema. Neben dem Automobil selbst wird es immer wichtiger, den Kunden mittels Dienstleistungspaketen an uns zu binden. Das sichert uns die Auslastung unserer Werkstätten. Zudem bauen wir im Rahmen unseres Kerngeschäfts den Servicegedanken weiter aus und bieten zusätzliche Produkte wie die Reinigung von Klimaanlagen, Fahrzeugaufbereitung, Keramikversiegelung und ähnliches. Die Reifeneinlagerung erweitern wir auf drei Standorte, so dass wir künftig bis zu 40.000 Radsätze einlagern können. Wir haben 200 Ladepunkte für Elektroautos, die alle öffentlich zugänglich sind und bauen jetzt noch zwei Ladeparks in Autobahnnähe. Wir probieren eigentlich alles aus, manches geht über die Pilotphase nicht hinaus.