Einer der größten Trümpfe chinesischer Autobauer ist die sichere Versorgung mit Rohstoffen, insbesondere mit solchen für Batterien. Dagegen steuert Europa mit dem Hochlauf der E-Mobilität auf immer größere Rohstoff-Engpässe zu.
Europäisches Lithium: Der schwierige Weg zur Eigenproduktion
Der Bedarf an Lithium ist riesig und wächst weiter. Gleichzeitig soll die Abhängigkeit von China sinken. Aber der Abbau in Europa kommt nur in Trippelschritten voran.
Die Europäische Kommission hat das Problem zwar erkannt und fördert die Erschließung heimischer Lagerstätten und anderer Ressourcen wie das Recycling. Doch bis zur Erschließung einer neuen Mine dauert es mehrere Jahre – und das vom Zeitpunkt der Genehmigung an gerechnet. Mit anderen Worten: Europa kann auf absehbare Zeit nicht mit einer Rohstoff-Eigenversorgung bei wichtigen mineralischen Rohstoffen rechnen.
Die Zeit drängt, denn die sichere Versorgung mit Lithium steht für die Autoindustrie am Anfang ihrer Wertschöpfungskette. Die auf Rohstoff-Analysen und Prognosen spezialisierte Beratungsfirma Wood Mackenzie erwartet, dass sich die weltweite Nachfrage nach batterietauglichem Lithium zwischen 2024 und 2030 mehr als verdoppelt, auf 2500 Kilotonnen Lithiumkarbonat-Äquivalente (Lithium Carbonate Equivalent, LCE). Davon dürften rund 94 Prozent für Batterien benötigt werden. In Europa rechnen die Rohstoffexperten mit einem Anstieg der Lithium-Nachfrage zwischen 2024 und 2030 von 130 auf 490 Kilotonnen.
Unstrittig ist, dass Europa die Nachfrage nicht aus eigener Kraft bewältigen kann. 2023 importierte die EU 70 Prozent ihres Bedarfs an Lithiumkarbonat aus Chile, zehn Prozent aus Argentinien und neun Prozent aus den USA. Ähnlich hoch ist die Abhängigkeit bei Lithiumhydroxid, einem weiteren Lithium-Salz.
Für den europäischen EV-Markt unverzichtbar sind die kostengünstigeren Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP). Genau diese Batterien basieren aber auf einem Kathodenmaterial, das bisher fast komplett aus China kommt. Aktuell existiert in Europa nur ein sehr kleiner Lithium-Abbau. In Portugal wird der Rohstoff für die Keramik-Industrie gewonnen.
Das soll nicht so bleiben. Nach einer Übersicht der Nichtregierungsorganisation Transport &Environment (T&E) existieren derzeit in Europa 27 Lithium-Projekte. Würden sie alle zeitgerecht und im geplanten Umfang umgesetzt, stünde laut T&E-Prognose 2030 in Europa eine jährliche Abbaukapazität (Mining) von 310 Kilotonnen zur Verfügung. Davon könnten 250 Kilotonnen LCE für Batterieanwendungen genutzt werden. Unterm Strich könnte damit 53 Prozent der erwarteten Batterienachfrage im Jahr 2030 gedeckt werden.
Im Bereich Weiterverarbeitung würden der Prognose zufolge in Europa 2030 bei Realisierung aller Vorhaben etwa 690 Kilotonnen LCE zur Verfügung stehen. Damit wäre 2030 der LCE-Bedarf selbst bei einem starken Anstieg der EV-Nachfrage vollständig gedeckt.
Noch nicht berücksichtigt haben die Analysten hierbei das potenziell größte Lithium-Projekt in Europa. Im serbischen Jadar will der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto unter Tage Lithium gewinnen und dafür rund sechs Milliarden Euro investieren. Rio Tinto will damit jährlich genug Lithium gewinnen, um Batterien für rund 1,1 Millionen Autos bauen zu können.
Ob das Vorhaben aber jemals Realität wird? Bereits 2004 hatten Probebohrungen zu dem vielversprechenden Vorkommen geführt. Inzwischen aber ist eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die Mine in Jadar. Zwar liegen die lohnenden Vorkommen in rund 600 Metern Tiefe.
Doch Umweltgruppen befürchten, dass Rio Tinto die Abwässer nicht wie versprochen gründlich aufbereitet. Auch im serbischen Parlament sind die Fronten dazu verhärtet. Doch es gibt noch andere europäische Hoffnungsträger. So hat Vulcan Energy im rheinland-pfälzischen Landau eine Pilotanlage zur Gewinnung von Lithium aus Thermalwässern in Betrieb genommen.
In Frankfurt-Höchst wird der Rohstoff zu batteriefähigem Lithiumhydroxid-Monohydrat (LHM) weiterverarbeitet. Ziel ist, eine erste großindustrielle Anlage für jährlich 24.000 Tonnen LHM zu errichten. Damit könnte Vulcan Energy pro Jahr Batterien für 500.000 E-Autos herstellen.
In Europa bestehen noch weitere aussichtsreiche Vorkommen an Lithium. So sind lithiumreiche Tiefenwässer auch in der Lüneburger Heide nachgewiesen worden. Das Unternehmen European Metals hat jüngst mitgeteilt, seine in Cinovec in Tschechien geplante Produktion auf jährlich rund 42.000 Tonnen LMH zu vergrößern. Aber auch in Cinovec muss sich die Autoindustrie noch in Geduld üben: Für Mitte 2025 hat die Firma eine Machbarkeitsstudie in Aussicht gestellt.
Vor ähnlichen Problemen wie Rio Tinto in Jadar steht die australische Bergbaufirma Infinity Lithium in Südspanien. Seit 2016 versucht Infinity, die Genehmigung für mehrere Projekte zu erhalten. Wenige Kilometer von der Stadt Cáceres entfernt, die zum UNESCO -Welterbe gehört, soll tief in der Erde eine „unsichtbare“ Lithiummine entstehen. Die Proteste dagegen werden immer lauter. Zuletzt argumentierten die Gegner, die Mine verschandle einen „heiligen“ Berg, auf dem ein altes Kloster steht.
Was die Demonstranten dabei ausblenden: In der Region wurde früher Zinn abgebaut, der Abbau hat dort Tradition. Noch heute steht ganz in der Nähe ein alter Förderturm.