Kehrtwende bei Renault Deutschland: Abkehr von der Premiumstrategie

Renault Deutschland macht eine Wende um 180 Grad und will die Entscheidungen der vergangenen Jahre zurückdrehen. Dabei rücken die Partner im Handel wieder stärker in den Vordergrund. Damit verwirft der neue Deutschlandchef Florian Kraft die Strategie seines Vorgängers.

„Wir reden wieder über Volumen und Marktanteil, das beinhaltet auch wieder eine marktgerechte Verkaufsförderung. Das ist ein absoluter Paradigmenwechsel“, sagt Hans-Werner Hauth, Präsident des Verbands Deutscher Dacia und Renault Partner. Der sei nicht nur für die Händler gut, sondern auch für den Hersteller, schließlich wolle auch er seine Fahrzeuge verkaufen.

Renault Deutschland und seine Partner haben dies dringend nötig. Die Zahlen im laufenden Jahr sind verheerend, in den ersten zehn Monaten erzielte Renault einen Marktanteil von nur noch 1,8 Prozent. Das entspricht rund 43.000 Pkw-Neuzulassungen, ein Fünftel weniger als vor zwölf Monaten.

Kraft hatte kurz nach seinem Antritt als neuer Deutschlandchef eine schonungslosen Fehleranalyse gezogen, die intern hohe Wellen schlug, wie die Automobilwoche berichtete. Kraft entmachtete unter anderem den im Juli 2022 angetretenen Vertriebschef Michael Löhe, will das Verhältnis zum Handel kitten und verwirft die Strategie seines Vorgängers, die eine Höherpositionierung der Marke vorsah. 

Im Oktober gelang Renault bereits ein kleiner Achtungserfolg. Mit knapp 5.500 Pkw-Neuzulassungen kletterte der Marktanteil wieder auf 2,3 Prozent. „Es darf nie mehr passieren, dass der Marktanteil unter zwei Prozent rutscht“, sagt Hauth, der auch Geschäftsführer der Autohausgruppe Lüdemann & Zankel mit zehn Filialen in Norddeutschland ist. „Wir wollen eher wieder die drei Prozent in den Blick nehmen.“

Doch die große Unbekannte für die Händler sind die Renault-Ziele für das nächste Jahr. „Renault hat sich noch nicht geäußert, wie viel im nächsten Jahr verkauft werden soll“, so Hauth. „Aber wir wollen auf jeden Fall mehr Verkaufen als in diesem Jahr.“ Dazu braucht es nicht viel.

Doch zu hoch gesteckte Ziele könnte die Aufbruchsstimmung wieder dämpfen. Zumal die Grundmarge auf dem im Rahmen der Einführung des Modells Austral abgesenkten Niveau von sechs Prozent bleibt. Das bietet kaum Raum für Nachlässe. Entsprechend sind sie von der richtigen Preispolitik des Herstellers abhängig.

Nicht nur bei Hauth ist das Aufatmen nach dem Managementwechsel in Köln deutlich zu spüren. Auch bei vielen anderen Partnern. Das zeigte sich bei der Mitgliederversammlung der Renault-Partner in Dresden.

Hier stellte Kraft seine Pläne vor, wie er die vergangenen Jahre zurückdrehen will. Eine entscheidende Rolle spielt die Vergütung. Renault Deutschland hat das System wieder umgestellt: In den vergangenen Jahren hatte Renault ein Kaufantragssystem, die Grundlage für den Bonus waren die vom Händler verkauften Fahrzeuge. Jetzt sind wieder die Zulassungen entscheidend.

Die Folge: „Tageszulassungen und Vorführwägen zählen also wieder mit“, sagt Hauth. Ein entscheidender Faktor, um Volumen zu machen. Denn die Händler verkaufen die Eigenzulassungen später an Privatkunden mit Rabatt. Nicht wenige haben Tochterfirmen, über die sie die Fahrzeuge zulassen.

Das jedoch steht der von Renault-Chef Luca de Meo ausgerufenen Premiumstrategie deutlich entgegen. Etliche Händler haken die angestrebte Höherpositionierung als weiteren gescheiterten Versuch ab.

So weit ist Hauth noch nicht: „Der Weg nach oben ist nicht gescheitert, aber er braucht einfach viel länger als gedacht.“ Die Höherpositionierung der Fahrzeuge und die Eroberung neuer Kunden bekomme man nicht in zwölf Monaten hin.

In den vergangenen Jahren hat der Kleinwagenhersteller seine Kernmodelle wie Twingo und Zoe aus dem Programm genommen und den Fokus auf die größeren Segmente C, D und E gerichtet. Da verwundert es wenig, dass hier der Kundenanteil gewachsen ist. Doch nun kommt er wieder mit den kleinen Modellen: Mit Renault 4 und 5, beide mit Elektroantrieb, und will er an die Vergangenheit anknüpfen.

Auch an einer weiteren Stelle dreht Renault Deutschland das Rad zurück. Bis zu 250 R2-Partner, also Werkstätten mit Vermittlerstatus, wollten den neuen Renault-Vertrag nicht mehr. Das drohte große Löcher ins Netz zu reißen. Von den scheidenden R2-Partnern hat Kraft rund 80 Unternehmer angesprochen, um diese wieder zurückzuholen.

Das klappt nur, wenn die Anforderungen sinken. Denn die Renault Partner sind nur bereit zu investieren, wenn sie am Ende Geld verdienen. „Offen ist noch, welche Standards Renault wieder zurücknimmt“, sagt Hauth. Vorgaben wie „öffentlich zugängliche Ladesäulen“, könnten viele Partner nicht umsetzen, allein wegen der Infrastruktur in den Städten.

Ein kleiner Partner, der zurückkommt, berichtet: „Es ist wieder ein ganz anderer Umgang miteinander.“ Er habe die Kunden zwar bereits über das Ausscheiden informiert, werde sie jetzt aber nochmals Anschreiben. Auch viele große Händler sind über die Maßnahme froh, denn die kleinen sind bei ihnen angedockt. Sie wären mit Blick auf Volumen und Service ebenfalls betroffen gewesen.

Die Löcher an anderer Stelle bleiben: Die beiden großen Traditionshändler Preckel und die Wahl-Group, ehemals die Nummer zwei im Renault-Netz, sind ausgeschieden. Diese Lücken hat Renault noch nicht adäquat gestopft.

Doch bei Renault Deutschland ist endlich angekommen, dass für den Erfolg der Marke ein intaktes Vertriebsnetz mit motivierten Händlern entscheidend ist.