Vertrieb, Modelle, Preise: Wie chinesische Hersteller ihre Deutschland-Strategien ändern

So leuchtend die Ambitionen waren, so trist ist für chinesische Automarken in Deutschland die Realität. Statt Marktanteile zu erobern, stand 2024 fast überall ein dickes Minus.

BYD etwa kam gerade einmal auf 2900 Autos – minus 30 Prozent. Wenig besser erging es Great Wall Motor mit einem Minus von 36 Prozent auf 3000 Autos. Oder Nio mit nicht einmal 400 Neuzulassungen und einem Minus von sagenhaften 69 Prozent.

2025 soll nun alles besser werden, die Newcomer planen einen neuen Anlauf. Sie ändern dafür häufig ihre Strategie: beim Preis, beim Vertrieb – und sie setzen zunehmend auf Verbrenner.

Einer der wichtigsten Trends ist aber der Aufbau eines flächendeckenden Händlernetzes. "Viele chinesische Marken sind zunächst in ein Direktvertriebssystem gegangen. Das war ein Fehler", sagt Jochen Funk, Leiter Automotive Practice bei der Unternehmensberatung Publicis Sapient.

Neuwagenkäufer in Deutschland sind im Schnitt älter als 50 Jahre. Ein Auto rein online zu kaufen, kommt für viele nicht in Frage.

Lynk&Co etwa will seine Autos nicht mehr nur online und nur im Abo vermarkten. Bis Jahresende will die Marke 20 Händler finden. Nio hält zwar noch am Online-Direktvertrieb fest, für die Submarke Firefly hingegen ist offenbar ein Händlernetz geplant.

BYD wiederum will nach dem Rauswurf seines Deutschland-Importeurs Hedin bis Jahresende sein Händlernetz von 28 auf 120 Standorte erweitern. Dabei nimmt BYD in Kauf, die bestehenden Vertriebspartner zu verärgern, indem entgegen früheren Absprachen neue Händler aufgenommen werden.

Vorbild dürfte MG sein. Die Marke setzte von Anfang an auf ein breites Netz und kam 2024 mit knapp 21.000 Autos als einzige China-Marke in Deutschland auf nennenswerte Stückzahlen.

Marken wie Xpeng oder Leapmotor, die erst 2024 gestartet sind, haben daraus gelernt. Sie setzen gleich auf ein flächendeckendes Netz von je rund 120 Standorten. Dieses soll auch noch bei einem weiteren Problem helfen: der mangelnden Bekanntheit.

"Die Menschen sind von der Vielzahl neuer Marken überfordert. In der aktuellen Situation kann kaum eine Marke Brand Awareness generieren", konstatiert Funk. Lokal gut vernetzte Händler sollen helfen, das zu ändern.

Es sei "absolutes Hauptziel", die Marke bekannter zu machen und gleichzeitig Vertrauen bei den Kunden aufzubauen, erklärt etwa Xpeng. Das tue man gemeinsam mit dem Handel.

Daneben legen viele die Scheu ab, den Markt über den Preis zu erobern. "Sie wollten nicht als Billig-Anbieter wahrgenommen werden, deshalb haben sie nicht von Beginn an nur die Preiskarte gespielt", sagte Jan-Christoph Köstring, Senior Partner bei McKinsey, schon 2024 der Automobilwoche.

Das ist nun anders: Sowohl Great Wall Motor als auch Lynk, Polestar, Leapmotor und MG betonen auf Nachfrage ausdrücklich, Kunden gerade auch über attraktive Preise gewinnen zu wollen.

Zudem bauen viele ihre Modellpalette nach unten hin aus. Leapmotor etwa geht mit dem T03 mit einem Modell für unter 20.000 Euro in die Offensive. "Unsere bezahlbaren E-Fahrzeuge stoßen in eine Lücke im deutschen Markt vor", sagt ein Sprecher. Auch die für 2025 erwartete Nio-Submarke Firefly zielt auf eine preissensiblere Kundschaft ab.

Angesichts der Elektro-Skepsis vieler Verbraucher tauchen zudem zunehmend Verbrenner auf. MG brachte gegen Ende 2024 seine ersten Hybrid- und Verbrennermodelle nach Deutschland. Weitere Einstiegs-Verbrenner sollen folgen.

Damit zielt MG in die Lücke, die viele etablierte Hersteller mit ihrem Rückzug aus dem Kleinwagensegment geöffnet haben. Mit dem PHEV Seal U bietet daneben auch BYD mittlerweile Verbrenner an.

Mit Ausnahme von Great Wall Motor fassen alle befragten China-Marken zudem Gewerbekunden stärker in den Blick. Xpeng und Polestar sehen Flottenkunden sogar explizit als wichtigstes Wachstumssegment.

Chinesische Marken spielen im relevanten Flottenmarkt bisher noch keine Rolle; nicht eine schaffte es 2024 in die Top 20 der Flotten-Neuzulassungen.

Die Voraussetzungen dafür – Leasingangebote und ein Händlernetz für den regelmäßigen Service – sind jedoch zunehmend vorhanden.

Doch es bleiben Unwägbarkeiten: Die EU-Importzölle für chinesische Autos und der drohende Handelskrieg zwischen China und den USA könnten den Plänen der chinesischen Marken einen Dämpfer versetzen.

Zudem bleibt das Risiko, über sich selbst zu stolpern, indem zu häufig Strategie und Personal wechselt. Nio hat seit dem Marktstart drei Deutschlandchefs verschlissen. Great Wall wiederum machte kurzerhand seine Europazentrale dicht.

Ein weiterer Fehler ist, Europa als einheitlichen Markt zu behandeln. "Die chinesischen Marken brauchen eine langfristige, auf die einzelnen europäischen Märkte ausgerichtete Vertriebsstrategie. Es gibt nicht den einen europäischen Markt", warnt Funk.

In Belgien etwa gebe es einen extrem großen Flottenmarkt. In Großbritannien wiederum finanzieren beziehungsweise leasen überdurchschnittlich viele Privatkunden, um das Fahrzeug regelmäßig zu tauschen, während in Südeuropa viele Kunden ihre Autos am liebsten besitzen wollen.