Nach einem Nettoverlust von 463 Millionen Dollar im vierten Quartal warnt der Elektroauto-Hersteller Fisker davor, dass er seinen Geschäftsbetrieb möglicherweise nicht fortführen kann. Die entsprechende Börsenmitteilung führte im nachbörslichen Handel zu einem Absturz des Aktienkurses um 37 Prozent auf 47 Cent. Sollte der Preis dauerhaft unter einem Dollar liegen, droht ein Ausschluss vom Börsenhandel. Es bestünden "erhebliche Zweifel" an der Fähigkeit zur Fortführung des Unternehmens, schreibt Fisker. In den kommenden zwölf Monaten werde sich das Unternehmen "um zusätzliche Eigen- oder Fremdfinanzierung bemühen müssen, und es kann nicht garantiert werden, dass Fisker bei diesen Bemühungen erfolgreich sein wird."
Fisker warnt vor dem Aus
Fisker hat im vierten Quartal einen Nettoverlust im dreistelligen Millionenbereich eingefahren und steht vor erheblichen Problemen. Nun soll ein "großer Autobauer" das Start-up retten.
Die Entlassung von 15 Prozent der Belegschaft soll die laufenden Kosten senken. Momentan verfügt Fisker eigenen Angaben zufolge über 396 Millionen Dollar an liquiden Mitteln und über Fahrzeuge und Komponenten im Wert von weiteren 530 Millionen Dollar. Unternehmensgründer Henrik Fisker sagte in der Telefonkonferenz zu den Ergebnissen des vierten Quartals, er stehe in Verhandlungen mit einem "großen Autobauer" über eine strategische Partnerschaft. Dabei gehe es sowohl um eine Investition in Fisker als auch um Kooperationen in den Bereichen Entwicklung und Produktion Nordamerika sowie um die gemeinsame Nutzung des Händlernetzes. Ein etablierter Hersteller könnte damit einfach in die Elektromobilität einsteigen, warb der Gründer. Weitere Einzelheiten wie die Höhe des Investments oder den Namen des Konzerns nannte Fisker nicht. Die Verhandlungen sollen bereits seit mehreren Monaten laufen. Zunächst habe man mit mehreren Herstellern gesprochen, nun sei es jedoch nur noch einer.
Fisker hat erst im Januar vom Direktvertrieb auf Händlervertrieb umgestellt und verfügt eigenen Angaben zufolge über 13 Händler und 250 Interessenten in Nordamerika und Europa. In den kommenden Wochen erwartet das Unternehmen, dass mehr Händler Verträge unterschreiben. Bis Ende des Jahres strebt der Autobauer 100 Händler in den USA und 50 bis 60 in Europa an. "Die Händler, die wir jetzt unter Vertrag nehmen, stellen die Fahrzeuge direkt in ihre Ausstellungsräume, stellen ein neues Schild auf und können anfangen", sagte Fisker.
Fisker ist vor einigen Jahren mit großen Hoffnungen gestartet. Das erste Modell, das SUV Ocean, setzt auf recycelte Materialien und ist nach Angaben des Unternehmens das nachhaltigste Auto der Welt. Im vergangenen Jahr hat Fisker die Erweiterung seiner Modellpalette um den Sportwagen Ronin, den Pick-up Alaska und den Kleinwagen Pear geplant. Ob es angesichts des Geldmangels noch dazu kommt, ist fraglich. Ohne Unterstützung wird es jedenfalls nicht gehen: "Wir planen nicht, externe Ausgaben für unsere nächsten Projekte zu tätigen, bevor wir nicht eine strategische OEM-Partnerschaft eingegangen sind", sagte Henrik Fisker.
Im vergangenen Jahr hat Fisker seine Ziele nicht erreicht: Von den ursprünglich geplanten rund 36.000 Autos wurden nur gut 10.000 gebaut, von denen wiederum nur 4929 ausgeliefert wurden. "2023 war ein herausforderndes Jahr für Fisker, mit Verzögerungen bei den Zulieferern und anderen Problemen, die uns daran gehindert haben, den Ocean so schnell auszuliefern, wie wir es erwartet hatten", sagte Henrik Fisker auf der Bilanzpressekonferenz. Mit einem Umsatz von 200,1 Millionen Dollar hat der Autobauer im vierten Quartal 2023 zudem die Erwartungen der Analysten deutlich verfehlt, die mit 310 Millionen Dollar gerechnet hatten. Die Probleme bei der Auslieferung will Fisker mit der Umstellung seines Vertriebsmodells lösen. In diesem Jahr sollen 20.000 bis 22.000 Fahrzeuge an Kunden übergeben werden. Angesichts der turbulenten und unvorhersehbaren Situation auf dem E-Automarkt gebe man eine vorsichtigere Prognose ab, hieß es bei Fisker.
Die Nachfrage nach Elektroautos schwächelt momentan auf fast allen Märkten, das Problem hat nicht nur Fisker. Sowohl etablierte Hersteller, die mit den Stromern den CO2-Ausstoß ihrer Verbrenner kompensieren wollen, als auch reine E-Auto-Hersteller leiden darunter. Letztere haben zudem das Problem, dass sie die sinkenden Einnahmen nicht durch Gewinne aus dem Verbrenner-Geschäft ausgleichen können. Platzhirsch Tesla reagiert mit massiven Rabatten, Rivian und Lucid haben schwache Prognosen für das laufende Jahr abgegeben. Polestar braucht frisches Geld und hat gerade eine Finanzierungsrunde abgeschlossen. Die chinesischen Hersteller profitieren von ihren geringen Produktionskosten. Alle haben das Problem, dass momentan viele Hersteller mit ähnlichen Produkten auf einen immer noch überschaubaren Markt drängen.
Für die Marktschwäche gibt es diverse Gründe: Die immer noch hohen Kosten im Vergleich zu Verbrennern, Sorgen um die Restwerte angesichts schneller Fortschritte bei der Technologie, Skepsis angesichts von Reichweite und Ladeinfrastruktur. Als externe Faktoren kommen Ungewissheit angesichts der geopolitischen Lage und die sinkenden Reallöhne aufgrund der hohen Inflation hinzu, die Kunden vom Kauf neuer Autos abhalten. Die meist gut betuchten technikaffinen Early Adopters haben inzwischen alle ein Elektroauto. Jetzt geht es um den Massenmarkt - um Menschen, für die ein Auto kein Statement oder Ausdruck ihres Umweltbewusstseins ist, sondern ein Mittel, um zur Arbeit oder zum Einkaufen zu kommen.
Henrik Fisker blickt auf eine ereignisreiche Karriere zurück: Zunächst arbeitete er als Designer für Aston Martin und BMW, wo er unter anderem den Klassiker Z8 entworfen hat. Später wechselte er zu Tesla, überwarf sich aber mit Elon Musk und ging im Streit, um nur wenig später sein erstes Unternehmen zu gründen. Er entwickelte die Oberklasse-Limousine Karma mit Plug-in-Hybridantrieb, das Unternehmen musste aber nach wenigen Jahren Insolvenz anmelden. Mit dem Ocean startete er den zweiten Versuch.
Aus dem Datencenter:
Entwicklung der reinen Elektroautos in Deutschland bis Januar 2024